■ Querspalte: Plauschangriff
Hahaha! Gestern reiste Gerhard Schröder nach England zum Kaminfeuertalk mit Tony Blair. Hahaha. Kaum hat der SPD-Parteirat den Großen Lauschangriff gehorsam abgesegnet, wird er auch schon vom „German Tony Blair“ (The Observer) in die Tat umgesetzt. Vom „englischen Tony Blair (Die Zeit) will Schröder brandheiße Tips für den Wechsel erlauschen, für den er, wie die schwellkopflastige SPD-Reklame neuerdings glauben machen will, „bereit“ ist.
Wie schade, daß der Minigipfel so gar keine Geheimnisse bereithält. Denn was die beiden verzapfen, hat die Welt längst erfahren. Und zwar wie immer aus der Titanic. Bereits am Morgen des 2. Mai – die Labour-Siegesfeier lag in den letzten Zügen – blies unser Frankfurter Hochglanzmagazin zum Lauschangriff auf den notorisch niedersächsischen Ministerpräsidenten. Titanic-Star-Telefonist Martin Sonneborn griff zur Wählscheibe, gab sich als „Mr. Burlington, Head of the Celebration Committee of the Labour Party“ aus und erwischte den nicht nur schlaftrunkenen Schröder in einem Hotelzimmer in Seattle. Wir boten ihm ein Treffen zur Siegesfeier in London an. Nachzulesen in der Juni-Titanic.
Schröder sagte begeistert zu („Ja, ich komm' gerne“). Und revanchierte sich im Gegenzug mit brandheißen Infos von ganz oben. Wir erfuhren viel über seine privaten Stärken („Ich kann gar nichts, nicht mal singen“), noch mehr über seine Haltung zum anderen Geschlecht („Frau ist bei mir schlecht“) und nicht zuletzt die bis dato geheime Botschaft der deutschen SPD: „Werden Sie schon sehen, dann. Wenn ich komme, werden Sie schon sehen.“ Nun ist Schröder aber ein kluger, lernfähiger Kopf. Noch mal wollte er sich nicht reinlegen lassen. Das Gespräch wurde abhörsicher unter vier Augen geführt, nicht einmal Journalisten durften den sonst nicht gerade als medienscheu bekannten Niedersachsensozi begleiten. Blair wird nicht schlecht gestaunt haben, als er von Schröder die Botschaft der deutschen SPD vernahm. Er wird sie schon gesehen haben, dann. Hahaha! Oliver Schmitt
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