■ Querspalte: Hintze muß Kanzler bleiben!
Der Kanzler, kein Zweifel, er schwindet. Demnächst fährt er zwar wieder ganz offiziell hinunter an die südlichen Gestade des Wolfgangsees, Hannelore samt Semmeldiät und Frühjahrsinterview und alles, Geschrei hinterher und das leicht sodomisiert dreinschauende Rehkitz mit auf den Verlautbarungsfotos, aber es geht unweigerlich zu Ende mit ihm. Biographie auf Biographie erscheint über ihn, lauter Nachrufe. Juliane Weber sogar will demnächst auspacken, und Schreckenberger überlegt schon, wo er auf seinem Schreibtisch den Bleistift verlegt haben könnte, dann will er noch mal die Geschichte mit dem fabulösen Blackout erzählen und was mit der „geistig-moralischen Wende“ seinerzeit gemeint war. Kohl macht es nicht mehr lange, und die letzten Getreuen verlassen ihn schon. Nur einer hält aus bei ihm, nur einer gibt seine Null-Prosa im historisch-kritischen Wortlaut wieder, nur einer, der einzige Dr. theol. Peter Hintze.
Pfarrer Hintze steht noch fest an der Seite des Kanzlers und wird sogottwill demnächst wieder rote Socken tropfnaß auf die Leine hängen, sabbernd bei Erich Böhme erzählen, wie menschenverachtend das DDR-Regime war und warum Kanzler Kohl Kanzler bleiben muß. Doch wankt nicht auch Hintze schon bedenklich?
Neider und Finsterlinge, bestimmt keine Christenmenschen, wollen dem guten Pastor ans Leben, sein schönes Amt als Generalsekretär und Spaghettivorkoster soll er abgeben, nie mehr schwitzen dürfen im Auftrage des HErrn – also das geht nicht. Und wenn die Welt voll Teufel wär', Hintze wenigstens muß uns bleiben. Hintze, wir brauchen dich! Vor dir mußte man als Pastor noch in Mutlangen für den Frieden demonstrieren, um den Lobpreis des Herrn zu singen, aber seit es dich gibt, Hintze, ist die Kirche wieder im Dorf. Laß dich nicht einmachen von den Wissmännern und Schäubles, Hintze, du! Und überhaupt, einer muß ihn doch aussegnen, den Dicken, wenn es ihn reißt. Hintze, gib ihm deinen Segen! Willi Winkler
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