: Querspalte
■ Mach den Mahatma
Zwei katholische Männer erobern die Welt: Jörg Haider läuft in New York den Marathon, um amerikanische Sympathiepunkte zu holen, und Johannes Paul II. fliegt nach Indien, um gleich ganz Asien zu bekehren. Wer wird wohl früher am Ziel sein? Austrias Strahleprinz muss sich gemeiner jüdischer Aktivisten am Straßenrand erwehren, und die polnische Spätkartoffel schurkischer Hindus, die sie eiskalt abservieren wollen. Da möchte man jüdischer Hindu sein und gleich alles in einem Aufwasch erledigen. Nein, nein, keine Angst! Ganz im Sinne des alten Klapperhemds Gandhi muss es selbstverständlich heißen: „Keine Gewalt!“ Selbst gegen moderne Konquistadoren hilft nur, den Mahatma zu machen.
Aber wie würde die Welt aussehen, wenn unsere europäischen Eroberer sie nach ihrem Geschmack in ein österreichisch-polnisch-katholisches Paradies verwandelten? Gibt es in Brooklyn bald Faschierte Laiberl statt Big Macs? Darf der Inder demnächst auf Knien zur Schwarzen Madonna von Delhi rutschen? Uncle Jörg im Weißen Haus, Guru Karol nach Kalkutta? Madonna tanzt den Kaiserwalzer, statt Turban trägt der Sikh Tiara?
Wohl kaum. Da hat man sich offenbar überhoben und sollte erst einmal die katholischen Kräfte bündeln, um näherliegende Ziele in Angriff zu nehmen. Wie wäre es, wenn der Papst einen 8. Kreuzzug ausriefe und Haider an der Spitze der „Militia Christi“ gen Süden ritte, das Grab des Herrn von der jüdisch-arabischen Fremdherrschaft zu befreien? Schießlich steht das heilige Jahr bevor, ein ebenso heiliger Krieg käme da nicht ungelegen. „Wiener Blut, Wiener Blut ...“, schallt es schon jetzt von der Klagemauer wider, vor der sich orthodoxe Juden im Dreivierteltakt wiegen. Jerusalem ist im Johann-Strauß-Fieber. Gandhi würde sich im Ganges umdrehen. Michael Ringel
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