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Querspalte

Nicht einmal ein Liebestod

 Neulich las ich, Berlin sei mittlerweile für Singles eine der besten Adressen Europas, weil es hier so viele Veranstaltungen für sie gibt. Das hat mich sehr deprimiert. Ich weiß nämlich noch, wie mich vor Jahren ein Freund überredete, mit ihm zu einer Singleveranstaltung in Los Angeles zu gehen, die jeden Monat unter der Bezeichnung „Eine Nacht am Broadway“ stattfand.

 Ich war ziemlich skeptisch, aber er behauptete, es gebe dort ein paar einsame ältere Frauen, die wir aufreißen könnten, und einsam und ausgehungert, wie ich war, sagte ich schließlich zu. Das Ganze fand statt in der Wohnung einer attraktiven jüdischen Frau in den Fünfzigern und war gedacht für liebesbedürftige Singles, die eine Vorliebe für sentimentale Broadway-Hits gemeinsam hatten. Eintritt: zehn Dollar für Dauergäste und fünfzehn für Neulinge wie uns. Mein Freund und ich waren bei weitem die Jüngsten – die meisten Gäste waren jenseits der Vierzig, weit über ihre Blüte hinaus, und das galt auch für die Sänger, die dem Publikum mit ihren Liedern und Texten Hoffnung einflößen sollten – zum Beispiel mit „Dream the impossible dream“.

 Aber es sang auch eine fette Dame den „Liebestod“ aus „Tristan und Isolde“. Nicht gerade ein Hit vom Broadway, aber mein Freund erzählte mir, etwas andere singe sie nun einmal nicht. Es war schheußlich, aber vielleicht lag das auch nur an meiner schlechten Laune. Dann gab es da einen Möchtegern-Sinatra mit Kugelbauch; wenn er sich durch die höheren Register quälte, war seine Stimme so nahe am Kippen, dass ich wie auf Nadeln saß. Sein peinvollster Auftritt war „Verzauberter Abend“, das unser aller Dilemma und innersten Wunsch nur allzu deutlich offenbarte: „Eines verzauberten Abends begegnest du einem Fremden, begegnest einem Fremden in überfülltem Raum.“ Eben das waren wir, Fremde in einem überfüllten Raum und verzweifelt einsam noch dazu.

 Als das Lied angestimmt wurde, ließ die Hälfte der Anwesenden, vor allem rundliche Frauen, ihre Blicke verstohlen durch den Raum schweifen, um vielleicht einen zauberhaften Liebhaber zu entdecken, während die andere Hälfte, die mit einem Rest von Selbstachtung, stoisch vor sich hin starrte. Und zu allem Überfluss begegnete ich nicht einmal einer einsamen älteren Frau. Ich machte mich bald davon, wie ein Taschendieb, der an eine leere Tasche geraten ist. Kevin McAleer

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