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Queerfeindlicher Pastor in BremenWie umgehen mit dem Hassprediger?

Nach der Verfahrenseinstellung gegen Pastor Olaf Latzel: Die Stimmen, die von der Kirchenleitung eine Entscheidung fordern, mehren sich.

Immerhin oben herrscht Ruhe: Turmspitze der St. Martini Kirche in Bremen Foto: Sina Schuldt/dpa

Bremen taz | Wie geht es weiter mit dem Hassprediger in den eigenen Reihen? Vor dieser Frage steht die Bremische Evangelische Kirche (BEK) nach der endgültigen Einstellung des Verfahrens gegen Pastor Olaf Latzel am Mittwoch.

Nachdem sich der 57-Jährige 2019 abwertend über queere Menschen geäußert hatte, sprach ihn 2022 das Landgericht Bremen in zweiter Instanz vom Vorwurf der Volksverhetzung frei. Die Staatsanwaltschaft legte erfolgreich Berufung ein, der Fall landete erneut vor dem Landgericht. Dort hat sich Latzel jetzt entschuldigt und in eine Zahlung von 5.000 Euro an einen queeren Verein eingewilligt.

Damit fehlt der Bremer Kirchenleitung ein Urteil, auf das sie arbeitsrechtliche Konsequenzen gründen könnte. Diese hatte sie 2020 mit einem Disziplinarverfahren angekündigt, das für die Dauer des Rechtsstreits ausgesetzt worden war. In einem Statement der BEK heißt es nun, die Kirchenleitung werde „den Beschluss des Gerichts bewerten“. Mit diesem läge „ein Orientierungsrahmen für das Disziplinarverfahren“ vor.

Deutlichere Worte findet Norbert Harms, Pastor der Martin-Luther-Gemeinde im Stadtteil Findorff. Er ist der einzige Bremer Pastor, der öffentlich Stellung gegen Latzel bezieht. Der berufe sich auf die reine Lehre, also die wörtliche Bibelauslegung und stelle damit Lebensformen infrage. Das sei „Lichtjahre davon entfernt, was der Mensch Jesus in die Welt gebracht hat“.

Umgang mit fundamentalistischen Gruppen

In der BEK gebe es „Streit über den Umgang mit fundamentalistischen Gruppen“, sagt Harms der taz. Dabei gehe es auch um Machterhalt, weil „wir weniger werden, wenn wir die Fundamentalisten verlieren“. Der Preis für den Zusammenhalt sei aber hoch: „Dann verlieren wir die, die unter fundamentalistischer Ausgrenzung und Abwertung leiden.“

Harms sagt, er vertraue der Kirchenleitung, fordert aber „eine neue Gewichtung im Disziplinarrecht“. Es müsse klarer in den Blick kommen, „ob und wie jede und jeder einzelne die Würde derer achtet, die uns begegnen, die uns zuhören oder über die wir reden“.

Die Gleichstellungsbeauftragte der BEK, Antonia Rumpf, sagt, sie habe sich eine andere Entscheidung des Gerichts gewünscht. „Ich finde es wichtig, dass marginalisierte Menschen darauf vertrauen können, dass der Staat ihre Menschenwürde konsequent schützt.“ Dabei sei es wichtig zu entscheiden, „an welchen Punkten die Religionsfreiheit an ihre Grenzen stößt, weil die Menschenwürde anderer verletzt wird“. Das gelte nicht nur für Latzel, sondern auch für andere Geistliche, die sich ähnlich äußern.

Ein*e quee­re*r Pas­to­r*in nimmt die Kirchenleitung in Schutz. Er*­sie möchte anonym bleiben. Weil es zwar eine Reihe von schwulen und lesbischen Pas­to­r*in­nen gibt, diese aber in der Minderheit sind, wird das Geschlecht der Person in diesem Text nicht genannt. „Ich fühle mich in der BEK sehr wohl“, sagt er*sie, „wir dürfen hier als queere Pfar­re­r*in­nen so sein, wie wir sind.“

Hoffnung auf Disziplinarverfahren

Er*­sie schaut hoffnungsvoll auf den Ausgang des Disziplinarverfahrens, denn die Kirchenleitung habe sich 2020, als Latzels Äußerungen bekannt wurden, „sehr klar positioniert“. Die Kirchenleitung nehme queere Mit­ar­bei­te­r*in­nen ernst und sei von dem*­der Pas­to­r*in als „rückenstärkend“ erlebt worden. Er*­sie hat auch Verständnis dafür, dass die Kirchenleitung sich jetzt nicht klarer äußert, denn sie müsse sich „an das kirchliche Arbeitsrecht halten“.

Sollte das Disziplinarverfahren mit dem Rauswurf Latzels enden, würden dies queerpolitische Institutionen begrüßen. „Wir sind zutiefst enttäuscht und frustriert über den ausbleibenden Schuldspruch gegen Olaf Latzel“, sagt Rebecca Gefken, stellvertretende Geschäftsführerin der feministischen und queerpolitischen Organisation Belladonna, die als Teil des Bündnisses Queerlobby den Prozess gegen Latzel verfolgt hat.

Die Entschuldigung Latzels, die zur Einstellung des Verfahrens beigetragen hatte, kann Gefken nicht ernstnehmen. Dass darin von „Gendermenschen“ die Rede ist, demonstriere Latzels „fehlendes Interesse an einer echten Auseinandersetzung mit queeren Menschen und ihren Lebensrealitäten“, so Gefken.

Sie spricht aus Erfahrung, denn sie ist selbst im christlich fundamentalistischem Umfeld in Bremen aufgewachsen und hat viele Gottesdienste von Latzel besucht. Als sie merkte, dass sie queer ist, sei das „das Schlimmste“ gewesen, was sie sich vorstellen konnte: „Ich habe mich falsch und sündig gefühlt.“ Gefken ist froh, dass sie den Weg aus dem evangelikalen Umfeld gefunden hat, aber sie wünscht sich, dass „keine jungen Queers die gleichen Schmerzen, die gleiche Ablehnung durchmachen müssen, so wie ich es musste“.

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5 Kommentare

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  • Schade, dass nirgends berichtet wird, wofür genau sich der Pastor Latzel eigentlich "entschuldigt" hat.



    Übrigens kann man "sich" nicht "entschuldigen". Man kann um Entschuldigung bitten, aber entschuldigen müssen die, an denen man schuldig geworden ist ...

  • Das Problem sogenannter Hassprediger ist, dass sie sich Teile ihrer Religion zu eigen machen und diese dann einseitig überhöhen. In christlichen Kreisen kann das passieren, wenn der Schwerpunkt auf Gebote und Verbote gelegt wird. Dies darf ein guter Christ und dies schon nicht mehr. Meiner Meinung nach, vernachlässigen solche Gruppierung die Aussage Jesu, dass das wichtigste sei, Gott und seinen Nächsten zu lieben, dies würde alle Gebote und Verbote einschließen. Und wie schrieb schon Paulus: Wer nach dem Gesetz lebt, wird nach dem Gesetz beurteilt, wer aus der Gnade lebt, wird nach der Gnade beurteilt. Ich habe die Gnade (und Liebe) gewählt

  • Es wird Zeit für die Säkularisation 2.0. Aber diesmal machen wir es richtig.

  • Dieses Urteil lässt das Vertrauen in die Justiz ins wanken geraten. Was geht vor in den Gehirnen solcher Richter?

  • Dass die Bremische Evangelische Kirche ein Strafurteil gebraucht hätte, um gegen Latzel disziplinarisch vorgehen zu können, ist eine faule Ausrede. Was Latzel geäußert hat, steht fest und muss nicht durch ein Strafurteil bewiesen werden. Im Strafprozess ging es allein um die strafrechtliche Bewertung. Die BEK kann aber selbst bewerten, ob und ggf. inwieweit die Äußerungen von Latzel gegen seine Pflichten als Pastor verstoßen hat. Wenn die BEK nach der Verfahrenseinstellung durch das Landgericht vor disziplinarischen Maßnahmen zurückschreckt, dann vor allem deswegen, weil sie befürchtet, einen erheblichen Teil ihrer evangelikalen Mitglieder und die von diesen gezahlten Kirchensteuern zu verlieren, falls sie Latzel aus dem Dienst entfernt.