: Quadratisch, pragmatisch, grün
■ Für Antje Radcke war Vorstellung der Vorstands-KandidatInnen kein Heimspiel
Kein Heimspiel. Im Publikum sitzen die PragmatikerInnen, und bei denen hat Antje Radcke keine Chance. Wenn die Noch-Bundesvorsitzende ihre Ablehnung des rot-grünen Atombeschlusses zu erläutern versucht, stecken die alten Männer der GAL, der stellvertretende Fraktionschef Martin Schmidt und der Ex-Bundestagsabgeordnete Jo Müller, die Köpfe zusammen, tuscheln halblaut und lachen. Radckes Konkurrenz um den Bundesvorsitz, die Berlinerin Renate Künast und der Schwabe Fritz Kuhn, haben mit ihrem Realismus die besseren Karten beim norddeutschen Delegiertenvolk.
Die Grünen haben es sich bei der CDU abgeschaut: Die KandidatInnen für den Bundesvorstand ziehen über Land und stellen sich vor. Regionalkonferenz heißt das und steht am Freitag ganz im Zeichen der Atomfrage. Radcke versucht ihre Ablehnung zu begründen, spricht vom „Ende der Fahnenstange“ und davon, dass „die Grünen nicht genug Wechselwähler haben, um ihre ganze Stammwählerschaft zu verlieren“. Der Atombeschluss sei der „Endpunkt, wo wir alle vor den Kopf stoßen, die jahrelang mit uns gekämpft haben“, sagt Radcke. Sie werde „sich nicht bis zum Zerbrechen verbiegen“, und deshalb habe sie die grüne Haltung des Parteitages zum Atom mit ihrer Kandidatur verknüpft: „Wir haben eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, der Partei und erst zuletzt gegenüber der Regierungskoalition.“
Für solche Einsichten erntet sie nur wenig Zuspruch. „Abenteuerlich“, kommentiert Schmidt, und Oberrealo Kurt Edler wirft ihr vor, „das Ende der Koalition zu wollen“. Ihr Wohlgefallen ruht auf Kuhn und Künast. Denn diese beiden bemängeln weniger die Regierung als die grüne Kritik daran: Die Partei würde ihre „Erfolge lausig verkaufen“, müsste „schneller und beweglicher“ werden und „nicht immer eine Fünf-vor-12-Ökologie verkünden“. Die Grünen dürften nicht technikfeindlich sein und man müsse „den Sozialstaat verändern, um ihn zu bewahren“. Die Haltung Radckes zum Atombeschluss nennt Kuhn „falsch und naiv“, zudem müssten die Grünen das Positive stärker betonen.
Das fällt Radcke nach eineinhalb Jahren an der Parteispitze sichtlich schwer. Die Partei sei in der Flüchtlingspolitik „fast stumm geworden“, das Bekenntnis zum Auto sei schädlich, und in der Führung habe es keine Teamarbeit gegeben. Der Bürgerschaftsabgeordnete Axel Bühler attestiert ihr zumindest Konsequenz: „Das heroische Politikmodell, auf der Straße Dinge zu fordern und sie dann politisch zu erkämpfen, hat ausgedient. Und wer diesem Modell anhängt, muss eben abtreten.“ Peter Ahrens
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen