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Q U E R S P A L T E Von der ersten in die letzte Reihe

■ Gottschalk setzt die Serie fort: Nach Kuhlenkampff geht auch der Bayer zum Privatsender RTL

Natürlich kann man vom geschäftssinnlichen Gottschalk nichts anderes erwarten. Einer, der sich gegen ein überfettes Honorar durch die westliche Welt whoppert, hat keine Scheu, ordentliche Angebote der Privaten anzunehmen. Und schließlich geht's dem Entertainer beim neuesten RTL-Coup um nichts weniger als um die Freiheit des Künstlers. Die ist ihm gesichert: „Gottschalk bekommt bei uns jeden Freiraum, den er sich wünscht“, bestätigte RTL-Programmdirektor Thoma. Was im Zusammenhang mit der neuen Aufgabe unter „Freiraum“ zu verstehen ist, gesteht die Youngster-Diva in seiner Taschengeld-Kolumne in 'Bild‘: kürzere Sendezeit (45 Minuten) und ein anderer Rhythmus (einmal wöchentlich). Die Vorteile liegen für den Großverdiener auf der Hand: „Das ist zu oft, um sich jedesmal darüber aufzuregen, zu kurz, um dabei einzuschlafen, und diese Sendung wird nicht mit Fernsehgebühren bezahlt.“

Auch gegen RTL gibt es keine Einwände: Nach Wimbledon, Bundesliga und dem Willy Brandt der Samstagabendunterhaltung, Hans-Joachim Kuhlenkampff, geht der Fischzug konsequent weiter, nach Gottschalk stehen Frank Elstner, Rudi Carrell und Günter Jauch auf der privaten Shopping-Liste. Soviel Konsumfreude beim Kölner Privatsender, der im letzten Jahr noch 40 Millionen Miese ausspielte, bezeugt löbliche Hoffnung in eine ertragreiche Zukunft.

Nur die Puristen bleiben auf der Strecke. Auf all jene Zuschauer, die, wenn schon TeVau, lieber trotzig bei ARD und ZDF in der ersten Reihe hocken bleiben, kommen frugale Zeiten zu: Pfarrerserien, bis der letzte davor nur noch in den Beichtstuhl flüchtet, Sportnews als abgenagte Büfettreste, Spielfilmreihen aus Korea und den Lernstätten der ehrgeizigen Cinema-Lehrlinge, und große Unterhaltung mit Treppe, Blumenkübel und Max Schautzer. Das Schwarzsehen als letzte Bastion clandestiner Verweigerer verliert jeden Sinn: Wer will noch mit Aussicht auf die BerghoffReiberThoelkeSchanzeKrügerAckermann-Riege der GEZ die paar Pfennige vorenthalten? Denn diese Chipsletten -Helden sind den Privaten sicher keine Salzstange wert.

Elmar Kraushaar

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