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Putins Angriffskrieg in der UkraineRussische Raketen und Apfelkuchen

Russland hat die Ukraine in der Silvesternacht erneut stark angegriffen. Landesweit gerieten dutzende Städte unter Beschuss, darunter auch Cherson.

Alltag im Krieg: Valentyna bäckt am Silvesterabend einen Apfelkuchen in ihrer Küche in Cherson Foto: Anastasia Magasowa

Cherson taz | „Es herrscht überhaupt keine festliche Stimmung. Wir haben sogar beschlossen, den Weihnachtsbaum dieses Jahr nicht zu schmücken“, erzählt Rentnerin Valentyna am Silvesterabend in der Küche ihres Privathauses in einem der Stadtteile von Cherson. Obwohl die Geräusche der Artillerieexplosionen ständig aus der Ferne zu hören sind, schläft ihre Katze Honey friedlich in ihren Armen.

„Wir achten kaum noch auf diese Geräusche“, erzählt die Frau weiter und wirft wieder einen Blick in den Ofen, in dem ein Apfelkuchen gebacken wird. Valentyna ist enttäuscht. Denn so wird der Sohn, auf den sie und seine Kinder gewartet haben, nun doch nicht kommen, um das neue Jahr mit ihnen zu feiern. Er ist Soldat und wurde kurzfristig zu einem ­Einsatz gerufen. „Ich habe nur einen Wunsch – ich wünsche mir, dass der Krieg so schnell wie möglich endet und Frieden herrscht“, sagt die Rentnerin hoffnungsvoll.

Cherson war das einzige große Gebiet in der Ukraine, das die Russen nach einer Groß­offensive Ende Februar 2022 einnehmen konnten. Die ukrainische Armee befreite die Stadt Cherson im November – doch geriet sie seitdem unter ständigen Beschuss. Allein in der Silvesternacht griff die russische Armee 18-mal mit Raketenartillerie an. Kritische und zivile Infrastruktur, private Gebäude und Wohnhäuser wurden getroffen, drei Menschen verletzt.

Einige der abgefeuerten Raketen trafen auch das Gebäude des lokalen Kinderkrankenhauses, in dem die Ärz­t*in­nen um das Leben von verletzten Minderjährigen kämpften. Bis zur Ankunft der Rettungsdienste evakuierte das Krankenhauspersonal die Patienten auf eigene Faust. 17 Kinder, 4 Eltern und 38 Mitarbeiter suchten Schutz im Keller. Insgesamt sieben Einschläge trafen das Hospital, beschädigten Wände und sprengten mehr als 700 Fenster.

Viele Ukrai­ne­r*in­nen versteckten sich in der Silvesternacht in Schutzräumen

„Ich kann mir nicht ansehen, was mit unserem Krankenhaus geschieht, ohne zu weinen. Die Fenster sind mit Sperrholz vernagelt, wir haben eine Lichttarnung, wir sind in ständiger Erwartung eines Notfalls. Auch wenn wir auf alles vorbereitet sind, hoffe ich, dass es eine ruhige Nacht wird“, – sagte die diensthabende Kinderärztin im Krankenhaus, als sie der taz wenige Stunden vor dem nächtlichen Bombardement ihre Station im Krankenhaus zeigte. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich etwa zehn Kinder auf der Station, darunter einige in kritischem Zustand.

So waren ein 12-jähriges Mädchen und ihr 13-jähriger Bruder kurz zuvor in die Intensivstation des Kinderkranken­hauses gebracht worden. Der Junge befand sich zum Zeitpunkt des Beschusses auf der Intensiv­station, wo die Fensterscheiben zerschlagen wurden. Die Ärz­t*in­nen mussten ihn in die ­Nachbarstadt Mykolajiw evakuieren.

Doch nicht nur für die Menschen in Cherson war die Silvesternacht schwierig. An vielen Orten in der Ukraine mussten sich die Ein­woh­ne­r*in­nen in der Silvesternacht in Schutzräumen verstecken, anstatt das neue Jahr feierlich zu begrüßen. Bei einem Raketeneinschlag in Kyjiw wurden ein Mensch getötet und 21 weitere verletzt, darunter ein Journalist aus Japan. Auch mehrere Wohngebäude, ein Hotel und Schulen wurden im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt beschädigt.

Nach Angaben des Bürgermeisters von Kyjiw, Vitali Klitschko, waren rund 30 Prozent der Ein­woh­ne­r*in­nen der Hauptstadt infolge der Stromausfälle ohne Stromversorgung. In den frühen Morgenstunden des 1. Januars setzte die russische Armee ihre Angriffe auf die ukrainische Hauptstadt mit iranischen Shahed-Drohnen fort. Das ukrainische Luftabwehrsystem schoss 45 von ihnen ab. Bereits in den Tagen zuvor, am 29., 30. und 31. Dezember, wurden ukrainische Städte unter massiven russischen Raketenbeschuss gesetzt. Am schwersten waren sie jedoch in der Silvesternacht.

In seiner Neujahrsansprache dankte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski allen Ukrai­ne­r*in­nen für die Einigkeit und den Mut, den das ganze Land 2022 gezeigt hat. Er wünschte den Menschen nicht nur Frieden, sondern auch den Sieg und hoffte, dass dieser im neuen Jahr erreicht wird: „Die Explosionen am 24. Februar betäubten unsere Ohren. Seitdem hören wir nicht alles. Und wir hören nicht auf jeden. Uns wurde gesagt: Ihr habt keine andere Möglichkeit, als euch zu ergeben. Wir sagen: Wir haben keine anderen Möglichkeiten, als zu gewinnen.“ Eine knappe halbe Stunde nach Selenskis Neujahrsansprache begannen die russischen Neujahrsbeschüsse auf mehrere ukrainische Städte.

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