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Putin-Nachfolger MedwedjewRathaus, Gazprom, Kreml

Russlands künftiger Präsident heißt Medwedjew. Das steht fest, obwohl erst Sonntag gewählt wird. Vor 17 Jahren lernte er Putin kennen - und half ihm bei vielen Schweinereien.

Medwedjew und Putin - beide sind sich treu geblieben. : dpa

MOSKAU taz Dem Kandidaten blieb der aufreibende Wahlkampf erspart. Dimitri Medwedjew, Russlands angehender Präsident, klinkte sich einfach aus und niemand nahm ihm das übel. Statt als Wahlkämpfer Zeit zu verplempern, arbeitete der 42-jährige Putin-Nachrücker gewissenhaft die unerledigte Agenda seines jetzigen Amtes ab. Bis zum letzten Tag Business as usual als Vizepremier, diszipliniert und sachorientiert.

Für Mätzchen - wie die amerikanischen Primaries - hat der Mann auf der Schwelle zum Kreml keine Zeit. Russland ist keine Spaßgesellschaft, lautet die Botschaft an die Wähler. Die kräftezehrenden Primaries nahm Präsident Wladimir Putin auf sich. Vier Jahre hatte er die Nachfolge mit sich alleine ausgemacht. Bis er im Dezember, zweieinhalb Monate vor dem Wachwechsel, dem Volk den Erwählten präsentierte.

Kennen gelernt hatten sie sich vor 17 Jahren, als Jura-Absolvent Medwedjew in der Sankt Petersburger Bürgermeisterei juristische Kärrnerarbeit für den stellvertretenden "Mer" Putin erledigte und den Chef auch erfolgreich aus einer Korruptionsaffäre herauspaukte. Beide sind sich treu geblieben. Medwedjew war in Russland auch vor der Ernennung kein Unbekannter. Der sanft, schüchtern und nachdenklich wirkende Vizepremier verkörpert jedoch den Antityp des russischen Machtpolitikers. Äußerlich passt er nicht in die polternde Riege der Muschiks aus Geheimdienst und Sicherheitsstrukturen. Statt Schulterklappen trug er Schulterpolster unter den Maßanzügen. Seit er von Putin zum neuen Garanten der Stabilität erhoben wurde, geht er zweimal täglich schwimmen und hat an Statur gewonnen. An Sportskanone Putin, die sich der Öffentlichkeit mit entblößtem muskulösem Oberkörper präsentierte, reicht er gleichwohl noch nicht heran.

"Ich bin kein fader Zwieback", sagte er der Zeitschrift Itogi. Das vom Kreml finanzierte Human-touch-Interview sollte dem Image des drögen Apparatschiks etwas Pfeffer beimischen. Auch Graphologen kamen beim Vergleich der Schrifttypen des Schülers und des Vizepremiers zum eindeutigen Befund: ein markanter Anstieg an Entschlossenheit. Wer hätte das gedacht. In den vergangenen drei Monaten will auch die Psychologin Jelena Schestopal einen deutlichen Profilwandel festgestellt haben. Von der Fürsorge des "älteren Genossen" mache sich Medwedjew langsam frei, meint die Dozentin für Politische Psychologie. Einmal im Amt würde er sich weder als "Sitz-Präsident" noch als Prügelknabe hergeben.

Doch wie lange wird diese Doppelspitze von Bestand sein? Auch ein unscheinbarer Apparatschik und treuer Gefolgsmann ist gegen die Versuchung der unbegrenzten Machtfülle des Amtes nicht auf Dauer gefeit. Tatsächlich behagt Medwedjew der Gedanke, die Macht zu teilen, nicht: "Zwei, drei oder fünf Zentren wird es nicht geben", sagte er Itogi. "Der Präsident lenkt, und das kann laut Verfassung nur einer sein." Russland habe sich immer um eine starke Vertikale herum aufgebaut, anders könne das Land nicht geführt werden. Bei einer Rede vor Wirtschaftsbossen in Krasnojarsk trat der Zögling mit einer Programmatik an, die den Eindruck vermittelte, mit ihm zöge im Kreml wieder liberaleres Denken ein. Er geißelte die Korruption und überraschte mit der Sentenz, "Freiheit ist besser als Unfreiheit". Das sei die "Quintessenz der Geschichte".

Medwedjew sprach von freien Medien und der Notwendigkeit, die Justiz aus dem Würgegriff der Politik zu befreien. Hatte Präsident Putin kurz zuvor sein Regime als Erfolgsprodukt eingeführt, beklagte der Vize den für Europa beispiellosen Rechtsnihilismus in Russland - nach zwei Amtsperioden Putinscher "Diktatur des Gesetzes". Nicht zuletzt forderte er die Entflechtung von Politik und Wirtschaft, die unter dem Vorgänger zu siamesischen Zwillingen verwachsen sind. Was mag den Nachfolger geritten haben? Die Vision war das Gegenprogramm dessen, woran er acht Jahre federführend mitgearbeitet hatte.

Nach außen eilte ihm zwar immer der Ruf voraus, einer der letzten liberalen Vertreter des Kreml zu sein. Doch traf das Image nie zu. Medwedjew war in alle unappetitlichen Konflikte der Ära Putin verstrickt, nur wurde er damit nicht in Verbindung gebracht. Als der Kreml 2001 den Privatsender NTW gleichschaltete, saß er mit am Tisch. 2003 begann die Jagd auf den Yukos-Ölmilliardär Michail Chodorkowski, Medwedjew bekleidete bereits eine Schlüsselrolle im Kreml. Schließlich geschah es unter seiner Ägide als Aufsichtsratsvorsitzenden, dass Gazprom zur Schaltzentrale der Außenpolitik mutierte.

Medwedjew hätte sich seine Gedankenspiele in Krasnojarsk also sparen können, liberale Ideen verfangen in der Gesellschaft nicht, und der Sieg ist ihm auch so sicher. Vermutlich wollte Medwedjew also nur Profil gewinnen, um sich vom Übervater abzuheben.

Zugleich ist es aber auch eine kulturelle Eigenart Russlands, dass das Wort mehr zählt als die Tat, die selten auf das Wort folgt oder sich mit diesem nicht decken muss. Unter Medwedjew sind keine großen Veränderungen zu erwarten, jedenfalls nicht in naher Zukunft.

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