: „Pute geht inzwischen richtig gut“
■ Drei Jahre nach dem BSE-Skandal: Gütesiegel werben für „sicheres Rindfleisch“
Mechthild Oertel ist stolz: „Auf unserem Festival wird es zum ersten Mal möglich sein, Galloway-Fleisch in einem Restaurant zu essen und bei einem Schlachter zu kaufen.“ Noch könne das spezielle Fleisch nur direkt vom Hof erworben werden, das Galloway-Festival, das morgen in Kiel-Molfsee stattfindet, will das puschelige Rind nun populärer machen. Und es wird das „Gütesiegel für Qualitätsfleisch vom Robustrind aus Schleswig-Holstein“ vorstellen, das Oertel als Vorsitzende der „Galloway-Züchter-Interessensgemeinschaft-Nord e.V.“ zusammen mit der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein entwickelt hat.
Die Idee dazu entstand vor drei Jahren, als die britische Rinderseuche BSE in Deutschland zum Thema wurde und gerade bei kleinen Schlachtereien und Bio-Höfen zu empfindlichen Umsatzeinbußen führte. „Die Zeit damals war unheimlich hart, im ersten Moment dachten wir, das ist das Ende“, erinnert sich Inke Boye vom „Quellenhof Galloways“ im schleswig-holsteinischen Jahrsdorf. Auch Gerold Heller, der in Hamburg „Hellers Naturkost“ betreibt, denkt nur ungern zurück: „Wir hatten gerade angefangen, und kurzzeitig stand unsere Existenz wirklich in Frage.“ Der kleine Laden vertreibt zwar immer noch „hofeigenes Rindfleisch in erlesener Qualität“ aus Ottersberg, doch sein primärer „Fleischlieferant“ ist inzwischen ein anderer: „Pute geht richtig gut.“
Auch Michael Durst, Inhaber einer „Neuland“-Schlachterei in Barmbek, hat beobachtet, wie der BSE-Skandal kleine Bauern dazu zwang, ihre Rindfleisch-Produktion einzustellen. „Viele konnten sich das einfach nicht leisten“, stellt er fest, schließlich seien die Preise damals um 20 Prozent gesunken. Wie viele andere Betriebe auch hat sich Durst der „Initiative sicheres Rindfleisch“ der Verbraucherzentralen angeschlossen. Deren „Markenfleisch- und Gütesiegelprogramme“ bewerten Betriebe nach speziellen Kriterien zu Tierhaltung, Fütterung, Transport und Schlachtung sowie zur Fleischqualität und zur Transparenz beim Verkauf.
Nicht nur im Hinblick auf BSE, zumal die Rinderseuche hierzulande mittlerweile kaum noch ein Thema ist, wundert sich Silke Schwartau von der Verbraucher-Zentrale Hamburg: „Vielleicht ist es den Leuten einfach über geworden.“ Sie bekomme inzwischen vor allem Anrufe von Menschen, die nach England ziehen wollen oder dort einen längeren Aufenthalt planen.
Für Schlachter Durst nur logisch. Daß die Diskussion damals so hochgekocht ist, erstaunt ihn noch heute; schließlich habe es in Deutschland bis auf drei Fälle importierter Rinder kein Auftreten von BSE gegeben. „Prozentual ist die Wahrscheinlichkeit, daß Ihnen heute nachmittag ein Ziegel auf den Kopf fällt, größer“, sagt Durst. „Trotzdem fordert niemand, die Ziegel von den Dächern zu nehmen.“ Eva Wolfangel
Das Galloway-Festival findet morgen von 11 bis 18 Uhr im Freilichtmuseum Molfsee (bei Kiel), Hamburger Landstraße 97, statt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen