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■ Die Nato macht Rußland weitgehende ZugeständnissePunktsieg für Jelzin

In der Diskussion um die Zukunft der europäischen Sicherheitsarchitektur hat die Regierung in Moskau gestern einen Punktgewinn verbucht. In der Vereinbarung über eine verstärkte politische Zusammenarbeit, die Außenminister Kosyrew gestern im Paket mit der russischen Beteiligung am Programm „Partnerschaft für den Frieden“ „akzeptierte“, wird Rußland eindeutig ein Sonderstatus eingeräumt.

Bis vor wenigen Monaten hatte die Nato einen Sonderstatus, der Rußland über die anderen 25 Teilnehmerstaaten des Partnerschaftsprogramms hinaushebt, noch kategorisch ausgeschlossen. Jetzt erhielt Rußland einen verbrieften Anspruch auf Konsultationen vor Entscheidungen der Nato, die die Interessen beider Seiten berühren. Praktisch bedeutet dies ein Mitspracherecht Moskaus in allen Fragen der europäischen Sicherheit. Luftangriffe der Nato in Bosnien zum Beispiel (über diejenigen von letzter Woche war Moskau laut Präsident Jelzin angeblich nicht informiert) müßten künftig vorab mit der russischen Regierung besprochen und abgeklärt werden.

Die Beteuerung der Nato, dieses Mitspracherecht bedeute aber kein Vetorecht, hat wenig Relevanz. Denn Moskau verweigerte eine förmliche Unterzeichnung der beiden Vereinbarungen – was die Nato stillschweigend akzeptieren mußte, weil Kosyrew sonst überhaupt nicht in Noordwijk erschienen wäre. Damit hält sich die Regierung Jelzin die Möglichkeit offen, jederzeit wieder aus den Vereinbarungen auszusteigen, sollte die Nato künftig Entscheidungen treffen, die Moskau in den vorausgegangenen Konsultationen abgelehnt hat.

In der öffentliche Debatte um eine Ostausdehnung der Nato dürfte damit zumindest vorübergehend eine Beruhigung eintreten. Im Unterschied zu vorangegangenen öffentlichen Auftritten warnte der russische Außenminister gestern nur noch vor einer „übereilten Erweiterung“, lehnte diese aber nicht mehr kategorisch ab. Diese Formulierung entspricht auch dem Stand der Verständigung, den Washington und Moskau hinter den Kulissen bereits im letzten Herbst erreicht haben. Danach sollen die ost-, mitteleuropäischen Staaten der Nato beitreten, auf ihren Territorien sollen aber zumindest in Friedenszeiten weder Atomwaffen noch Soldaten aus westlichen Nato-Ländern stationiert werden. Im Gegenzug wird von der Clinton-Administration Jelzin grundsätzlich die Möglichkeit geboten, Rußland bis Ende des Jahrtausends ebenfalls in die Nato zu integrieren.

Das Kalkül der beiden Präsidenten, mit Rücksicht auf ihre innenpolitischen Gegner entsprechende Entscheidungen erst nach den Präsidentschaftswahlen des Jahres 1996 zu treffen und bis dahin möglichst auch die öffentliche Diskussion zu beenden, dürfte jedoch kaum aufgehen. Zumindest Polen, Tschechien und Ungarn erwarten, daß die Nato ihnen entsprechend der 1994 gemachten Zusage bis Ende dieses Jahres einen Fahrplan für den Beitritt zur westlichen Militärallianz vorlegt. Und auch aus mancher westeuropäischen Regierung ist noch mit Widerspruch zu rechnen.

Noch wird die nach langem Hin und Her in der Clinton-Administration gereifte Einsicht, daß eine europäische Sicherheitsstruktur keine Zukunft hat, wenn Rußland nicht mit gleichen Rechten und Pflichten beteiligt ist wie die anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks, in vielen europäischen Hauptstädten nicht geteilt. Andreas Zumach

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