Punker „Rotten“: Johnny Rotten findet die Hamas doof und Trump toll
Der ehemalige Leadsänger der Sex Pistols hat sich am Rande zu Israel geäußert. Die Jüdische Allgemeine feiert ihn, aber verschweigt auch etwas.

John Joseph Lydon ist kein Name für eine Punk-Ikone. Deshalb erhielt er Mitte der 1970er Jahre den Namen „Johnny Rotten“, angeblich wegen seiner mangelnden Mundhygiene. Seine Zähne waren grün, und der Sex-Pistols-Gitarrist Steve Jones sagte: „You are rotten!“
Inzwischen ist er längst nicht mehr „rotten“: Seine Zähne hat er 2008 für 22.000 Dollar in Los Angeles richten lassen, und sein rebellisches Image hat er gegen eine erzkonservative Haltung eingetauscht.
Er hat den Brexit unterstützt und den Rechtsausleger Nigel Farage als „fantastisch“ bezeichnet, Donald Trump gewählt und über die US-Einwanderungspolitik gesagt: „Ich habe Jahre gebraucht, um Amerikaner zu werden, weil ich eine Vorstrafe hatte, aber die Vorstellung, Millionen illegal über die Grenze zu lassen und ihnen ein Fünf-Sterne-Hotelschiff zu bieten, ist eine Verhöhnung der Jahre, in denen ich mich der Bürokratie hingegeben habe.“ Er liebe Trump, weil der Institutionen zerschlage, die „unser Leben zerstören“.
Schlagzeilen in jüdischen Zeitungen
Vorige Woche hat er erneut Schlagzeilen gemacht. Ausgangspunkt war ein Interview, das Rotten am 5. April dem Irish Independent gegeben hatte. Darin ging es lediglich am Rande um Israel.
Aufgegriffen hat das Gespräch Sophie Albers Ben Chamo, sie verteidigt Rotten in der Jüdischen Allgemeinen: „Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief.“ Damit verzerrt Albers Ben Chamo das Interview allerdings. Sie biegt Zitate zurecht und verschweigt, dass Lydon sich als irisch bezeichnet. Das liegt vermutlich an einer antiirischen Einstellung, die in vielen jüdischen Medien verbreitet ist.
Dabei ging es dem Interviewer im Irish Independent keineswegs darum, Lydon „vorzuführen“. Tatsächlich drehte sich das Gespräch um die bevorstehende Tournee von Lydons Band Public Image Ltd (PiL). Ja, Lydon hat über das KI-generierte Video von Hotels im Gazastreifen gesagt:
„Ein böser Sinn für Humor. Ich denke, als Bürger würde ich den Geldzufluss begrüßen. Die Hamas sind im Grunde nur Judenvernichter, das ist ihr einziger wirklicher Zweck.“ Natürlich würde er wieder in Israel auftreten, wie er es 2010 in Tel Aviv getan hat: „Das war etwas Besonderes, denn kein muslimisches Land hat mich je eingeladen.“
„No Irish, no Blacks, no Dogs“
Dann geht es um das Glück, dass er und seine Frau ihren gebuchten Flug auf der Maschine, die 1988 in einem Terrorakt über Lockerbie abgeschossen wurde, verpasst hatten, über den Panamakanal, über den Lydon sagt, dass „Amerika für dieses Ding bezahlt“ habe, bis hin zu seiner Werbekampagne für Country-Life-Butter und seine Teilnahme an der Reality-TV-Show „I’m a Celebrity – Get Me Out of Here!“.
Und natürlich kommen auch die Sex Pistols zur Sprache, als deren Leadsänger er berühmt geworden war. Nach deren Auflösung 1978 gründete er PiL, die nach einer Pause von 1993 bis 2009 wieder auftreten und Platten produzieren. Vor zwei Jahren reichte Lydon mit PiL einen Song ein, um Irland beim jährlichen Eurovision Song Contest zu vertreten. „Hawaii“ war seiner Frau Nora Forster gewidmet, einer Verlegerin aus Deutschland, die 14 Jahre älter war als er und 2023 an Demenz gestorben ist.
Inzwischen ist Lydon 69, er wurde 1956 in London geboren. Seine Eltern waren Einwanderer aus Irland. In seiner Autobiografie „Rotten – No Irish, No Blacks, No Dogs“ schreibt er, dass englische Eltern Steine nach ihm warfen, als er zur Schule ging. „Wir Iren waren der Abschaum. Aber es macht auch Spaß, Abschaum zu sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ole Nymoen und die Frage des Krieges
Kampflos in die Unfreiheit?
Juristin über Ja-heißt-Ja-Reglung
„Passives Verhalten bedeutet nicht sexuelle Verfügbarkeit“
Politologe über Brandmauer und CDU
„Wenn die CDU jetzt klein beigibt, ist sie bald überflüssig“
Juryauswahl bei Harvey-Weinstein-Prozess
Nicht objektiv genug
Ewigkeitschemikalien
Versicherer mutiger als der Staat
Produkte aus den USA meiden
Ohne Cola und Country-Musik