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Punkband Gustaf aus New YorkEs werden herrliche Zeiten kommen

Gustaf ist eine Band aus Brooklyn mit nervös überdrehter Musik und voller Dringlichkeit. Überhaupt winkt eine gitarrenlärmende Zukunft.

Glam-Punk aus Brooklyn, New York: Gustaf Foto: Felipe Torres

U nd dann war es so, dass das Publikum heftig in Bewegung kam, es zuckte vor der Bühne, Beine schlenkerten. Manche Körper warfen sich wenigstens ansatzweise aneinander. Pogo.

Also doch: Punkrock.

Man ist ja so einen Ringelreihen mit Rumschubsen gar nicht mehr gewohnt. Und der Grund, wieso die Menschen da tanzten, hört auf den Namen Gustaf, vier Frauen, ein Mann – eine Band aus Brooklyn, New York. Dabei spielen die nicht einmal den geselligen Dosenbier-Punk, sondern etwas verzwickter. Eine nervös überdrehte, hibbelige Musik, wie sie in New York seit den Achtzigern immer wieder gern gemacht wird.

Aber das klang bei Gustaf trotzdem nicht nach einer Retroveranstaltung, sondern schlicht nach einer vernünftigen Art, eine Musik zu machen, indem man sich Gitarren umhängt und drauf los schrabbelt auf der quengeligen Nervspur. Damit sie einen auch angeht, die Musik.

Toll genervt

Im Video von „Mine“, der Debütsingle der Band, ist die Sängerin Lydia Gammill mit einem Grinsen zu sehen, mit dem auch Jack Nicholson seinen Joker mit dem Wahnsinn ausgestattet hat. Auf der Bühne haute sie sich erst mal eine runter und sagte „I love you“. Überhaupt kann sie toll genervt ins Publikum schauen.

Bei ihrer kurzen Europatour zum gerade erschienenen Debütalbum „Audio Drag for Ego Slobs“ spielten Gustaf diese Woche im Cassiopeia, einem der kleineren Läden auf der Feiermeile vom Berliner RAW-Gelände, wo noch zaghaft die Normalität geprobt wird – die es eigentlich schon wieder gar nicht mehr gibt.

Allerdings meinte man auch, dass sich diese vernünftige Art, Musik mit dem Gitarreumhängen zu machen, doch überlebt hätte, schließlich wurde einem genau das überall verkündet, und dass sie zumindest als Role Model nicht mehr tauge in einem Geschäft, das von Bands wenig wissen will und noch weniger von Gitarren. Jedenfalls musste man vor einiger Zeit lesen, dass selbst so ikonische E-Gitarrenbauer wie Gibson und Fender heftig in der Krise seien.

In Bewegung bringen

Das war bereits vor Corona. Und mit Corona hätte man meinen können, dass die Pandemie mit ihrer sozialen Distanz den Bands endgültig das Kreuz gebrochen hat. Bis dann eben so eine Gruppe wie Gustaf um die Ecke gekrochen kommt und laut „Blödsinn“ schreit. Und einfach ihren Lärm macht, in dem knochigen, aufs Wesentliche heruntergestrippten Sound, so stumpf und monoton, den auch Mark E. Smith mit The Fall gepflegt hat, um in dieser Dringlichkeit die Menschen eben in Bewegung zu bringen. Um was es doch geht bei dieser Musik.

Lydia Gammill, die Sängerin, zeigte übrigens auch, dass sie bezaubernd zu lächeln weiß. Querflöte spielte sie manchmal dazu. Glam-Punk.

Sogar den Gitarrenbauern geht es wieder gut. Die Gitarre ist ein Coronagewinner. In der Pandemie gab es einen Boom für das Instrument, das man zuerst ja einmal für sich allein spielen kann.

Dann geht man raus und gründet Bands. Überall gitarrenlärmende Musik. Es werden herrliche Zeiten kommen.

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Thomas Mauch
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1960, seit 2001 im Berlinressort der taz.
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