Punk von Zentralheizung of Death: Etwas Besseres als der Tod
Aufhalten lässt es sich nicht mal von den widrigsten Umständen. Das Quintett Zentralheizung of Death zelebriert seinen Garagenpunk.
Eine Anekdote, die von dem unbedingten Willen einer Band zeugt, Musik zu machen. Das Quintett mit dem genialen Namen Zentralheizung of Death sollte bei einem Festival auftreten. Es war so geheim, dass selbst die Bandmitglieder nur eine ungefähre Ahnung hatten, wo es überhaupt stattfinden sollte. „Wir sind einfach losgefahren“, sagt Schlagzeuger Christian Kühr, den alle Kirmes rufen.
Wobei losfahren so einfach nicht war. Niemand in der Band besitzt einen Führerschein, geschweige denn einen fahrbaren Untersatz. Also trieben sie einen ohne TÜV auf und jemanden mit Fahrerlaubnis. Damit landeten sie in einer Kommune, in der sie herzlich begrüßt wurden: „Ihr seid doch die Tangoband?“ Das war nicht der Fall, sie fuhren weiter zum ein paar Kilometer weiter stattfindenden Metalfestival. „Ah, of death? Da seid ihr hier richtig.“ Wieder falsch.
Inzwischen rauchte der Motor ihres Fahrzeugs stark, immerhin landeten sie beim dritten Anlauf damit beim richtigen Festival. Aber es gab keinen Alkohol. „Nur spezielle Getränke“, wie die Bardame lapidar anmerkte. Sie kosteten davon, was ihnen einen unbeabsichtigt langen LSD-Trip bescheren sollte. „Ich bin dann von der Bühne gefallen. Unbemerkt von meinen Kollegen“, erinnert sich Kirmes vage an das Konzert.
Zentralheizung of Death: „The Death of Death“ (I love Marbach). Live 31. August, Berlin, Torstraßen-Festival, St. Oberholz, 15 Uhr.
Von Metal oder Tango keine Spur, Zentralheizung of Death klingen nach Garagenpunk. Lauter und krachiger spielt ihn hierzulande niemand. Letztes Jahr spielten sie mit dem Kalifornier Ty Segall, er ist ihr musikalischer Seelenverwandter. Wie Segall lieben auch ZHOD ungestümen Krach, tragen seltsame Outfits und lassen die Gitarren aufheulen.
Die Kinder von Sonic Youth
Sonic Youth brachte Kirmes und Gitarrist und Sänger Marian Bodenstein zur Musik. Weil sie wie die Kinder von Gordon und Moore klangen, wurden sie scherzhaft Sonic Youth Youth genannt. Ihre ersten Gehversuche unternahmen sie in einem Hobbykeller einer Erfurter Siedlung, an dessen holzgetäfelten Wänden eingerahmte Skatblätter von erfolgreichen Kartenrunden erzählten.
Inzwischen sind sie zu fünft und leben auf Berlin, Leipzig und Erfurt verteilt. „Eine Konstellation, die funktioniert“, sagt Kirmes. Bassisten und Gitarristen kamen. Und gingen wieder, weil sie plötzlich ein anderes Instrument spielen wollten, oder kein Instrument beherrschten („Wir dachten, das kann doch nicht so schwer sein“).
Wenn man ZHOD spielen sieht oder auch, wenn man sich mit ihnen zum Interview trifft, ist sofort eine Musikpassion zu spüren, die völliges Dilettantentum immer wieder erfolgreich besiegt. „Wir kriegen das schon hin“, ist ihr Motto.
Sie kriegen es schon hin
Und dann kriegen sie es auch hin, dass es nur so raucht. Als sie sich mit dem Label zerstritten, das ihr 10‘‘inch Debüt rausbringen sollte, machten sie es einfach alleine. „Wenn man noch nie eine Platte rausgebracht hat, ist das ganz schön kompliziert“, musste Kirmes feststellen. „Gema, Barcodes, wir hatten von all dem keine Ahnung“.
Die Nacht vor dem Releasekonzert verbrachten sie damit, ihre Cover im Siebdruckverfahren zu drucken. „Uns war nicht klar, dass beim Siebdruck jede Farbe einzeln aufgetragen wird. Wir mussten alle 500 Cover siebenmal drucken.“ Auch das kriegten sie hin. Inzwischen haben sie ein neues Label, Aliensnatch, sonst geben sie die Dinge ungern aus der Hand. Kirmes ist Booker, seine Zweimannagentur trägt den schönen Namen „Welt aus Hack“ und hat Künstler wie den Hörspielavantgardisten Felix Kubin, den US-Rapper Busdriver oder den Singer-Songwriter Jeremy Jay im Stall.
Zum Interview getrampt
Bodenstein kümmert sich bei der Band ums Artwork, zum Interview kommt er getrampt. „Wir kommen eigentlich immer zu spät“, erklärt Kirmes. Schlurfig ist ihre Musik nun gerade nicht. Im Gegenteil, sehr präzise werden Surfmusik und Punk verschmolzen und mit einer seltenen Leidenschaft vorgetragen.
Die Songs tragen Titel wie „heilige Harze“ und „Durchlauferhitzer der Dummheit“, meist sind es Instrumentals. In „Vergewaltigt von Dr. Assler“ brüllt Bodenstein wütende, unverständliche Sätze ins Mikro, das vergleichsweise poppige „Busy Ghost“ erzählt von beschäftigten Geistern, die im Keller ausrasten.
Ausgerastet wird auch bei ihren Konzerten. Sie sind brachial laut. Und langsam klappt das auch mit der Karriere. Anfang nächsten Jahres werden sie im Studio neue Songs aufnehmen, ein richtiges Album rausbringen und bis dahin jedes Konzert spielen, das sie kriegen können. „Zum ersten Mal haben wir einen richtigen Plan.“
Bliebe noch die Frage nach dem Bandnamen. Vollständig heißt er Zentralheizung of Death des Todes. Ein Konzertveranstalter hatte mal die Übersetzung direkt mit angehängt. Sie blieb. Bodenstein klärt auf: „War nur so ’ne Kifferidee.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles