Prügelszenen in der Erstaufnahme: „Polizeilich völlig unauffällig“
Nach Auseinandersetzungen in Unterkünften gibt es Forderungen nach getrennter Unterbringung. Hamburgs Polizei widerspricht: Kein Grund für Alarmismus.
Auch die Sprecherin des Trägers „Fördern & Wohnen“, der die Hamburger Flüchtlingsunterkünfte betreibt, setzt auf Deeskalation: „Die absolute Zahl der Konflikte dürfte steigen, weil die Zahl der Flüchtlinge steigt“, sagt Susanne Schwendtke. Befürchtungen, dass die Konflikte unter anderem entlang religiöser Grenzen verliefen, wie sie unlängst die Gewerkschaft der Polizei äußerte, teilt sie nicht. In der Regel entzündeten sich die Auseinandersetzungen an Alltäglichem, etwa darum, wer zuerst etwas zu Essen erhält. Dass diese Konflikte in der Folge aussähen wie ein religiöser oder ethnischer Konflikt, beruhe schlicht darauf, dass die Kontrahenten sich dann Unterstützung aus ihrem Umfeld holten.
Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche, weiß ebenfalls nichts von einer besonderen Diskriminierung von Christen, wie sie die Gewerkschaft der Polizei befürchtet. „Ich habe nur in Einzelfällen davon gehört“, sagt sie. „Ich will nichts schönreden, aber in sicherlich 85 Prozent der Fälle finden die Konflikte wegen der Art der Unterkunft und der Unsicherheit der Zukunft statt.“
Einer der Einzelfälle, von denen Jochims gehört hat, bezieht sich auf eine Gruppe junger Eritreer, die sich an den Pastor der Hamburger Hauptkirche St. Petri, Christoph Störmer, gewandt hatten und von religiösen Spannungen in der Unterkunft in den Messehallen sprachen. Bei einem Besuch vor Ort erfuhr Störmer jedoch nichts Näheres. Besorgniserregender erscheint ihm die Situation von Konvertiten. Der Pastor macht das an der großen Angst fest, mit der zwei syrische Konvertiten zu ihm kamen.
Noch fehlen Zahlen, um all diese Befunde zu untermauern. Der Sprecher der Hamburger Innenbehörde, Frank Reschreiter, erklärt, dass sein Haus keine Statistik über Gewaltvorfälle in den Unterkünften führt. Laut Susanne Schwendtke von „Fördern und Wohnen“ führt das Unternehmen zwar Buch über sogenannte „besondere Vorkommnisse“ – derzeit sei eine Statistik und deren Auswertung aber nicht darstellbar.
Die einzigen amtlichen Zahlen stammen daher aus der Antwort des Hamburger Senats auf eine CDU-Anfrage vom 7. September. Diese ist jedoch wenig erhellend, denn die Zahl der Polizeieinsätze in Flüchtlingsunterkünften wurde wegen eines Softwaredefekts nicht dokumentiert. Die Polizei will in dieser Woche neue Daten vorlegen.
Einzig belegbar sind derzeit Übergriffe auf Frauen in Flüchtlingsunterkünften: In der Antwort auf eine Anfrage der FDP vom 14. September benannte der Senat neun Fälle sexueller Gewalt. Daraufhin forderten Abgeordnete der Grünen und Linken eine gesonderte Unterbringung schutzbedürftiger Frauen.
Christiane Schneider (Linke) warnte zudem davor, dass angesichts der Größe der Unterkünfte „Konflikte vorprogammiert“ seien. Eine Trennung nach Ethnien oder Religion hält sie für „kontraproduktiv – schließlich sollen sich die Flüchtlinge hier integrieren“.
Um Konflikte mittelfristig zu vermeiden, fordert sie, dass die Stadt die dezentrale Unterbringung vorantreibt – auch durch die Beschlagnahmung kleinerer Hallen. Doch für den Schutz gefährdeter Frauen hält Schneider eigene Unterkünfte für diese Gruppe für unabdingbar.
Die Innenbehörde wusste vergangene Woche noch nichts von diesem Plan und betonte, es sei „vordringlich, Obdachlosigkeit zu vermeiden“. Zudem seien in den Erstunterkünften alleinstehende Frauen getrennt untergebracht. Anscheinend hat jedoch auch die Innenbehörde erkannt, dass die Bemühungen nicht ausreichen. Wenig später bestätigte ein Behördensprecher, dass man daran arbeite, „allein reisenden Frauen Plätze in kleineren Erstaufnahme-Unterkünften zur Verfügung zu stellen“.
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