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Prêt-à-porterDie Arme voller Kleider

■ Bei Prada, Yamamoto und selbst Dior brummen die Läden schon vor Beginn der Herbstschauen: Mode verkauft sich in Paris auch während der Rezession

Paris am Wochenende vor den Prêt-à-porter-Schauen: Es ist kalt, aber die Sonne scheint und jede Stunde prasselt ein kurzer, heftiger Guß vom Himmel. Ich wandere langsam die vornehme Avenue Montaigne hinunter und sehe mir die Modegeschäfte an: Dior, Lacroix, Chanel – nirgends sind mehr als zwei Kunden im Laden.

Nun ja, man liest es überall, wir haben Rezession.

Dann stehe ich vor dem Laden von Prada. Die italienische Firma hat hier vor kurzem auf 700 Quadratmetern ihr zweites Haus in Paris eröffnet: Die Wände sind in einem hellen, kalten Grün gestrichen. Vorne sind die Taschen – klein und eckig wie Briefkuverts –, dann folgt die Damenkollektion, ganz hinten Schuhe und oben die Männerkleider.

Ein kurzes, mit Blumenmuster bedrucktes Kleid, einem Kinderhänger nicht unähnlich, kostet 2.050 Franc, ein Anzug – militärisch streng geschnittene Jacke mit Schulterriegeln und eine schmale Hose – aus Nylon-Jersey: 4.700 Franc. Eine Hose aus Jersey-Stretch: 2.000 Franc. Die Kaschmirpullover: 2.150 Franc.

Rezession? Um mich herum tobt das Leben. Der Laden brummt wie verrückt: Die Verkäuferinnen rennen förmlich die Treppen hinauf und hinab, die Arme voller Kleider.

Oben in der Herrenabteilung höre ich Japanisch, Holländisch und Italienisch. Sonderbarerweise sehen sich die Jungs alle ziemlich ähnlich: Stark glänzende schwarze Haare, kräftige Statur, schwarze Kleidung. In den militärischen Prada-Anzügen, deren Eckigkeit durch die steifen Kunstfasern noch betont wird, sehen sie aus wie Elitesoldaten, die gerade einen Krieg gewonnen haben. Einige führen sich auch so auf. „Hello! Madam!“ dröhnt einer von ihnen durch den Laden, als eine Verkäuferin nicht gleich bei Fuß steht. Die Frau beißt sichtlich die Zähne zusammen, während sie in Ruhe weiter Pullover zusammenlegt. Aber sie verspricht, gleich den Mantel in der gewünschten Größe zu holen. Sie sieht ihn nicht an dabei.

Etwas später schiebe ich mich mühsam durch die Rue Grenelle im 6. Arrondissement. Rezession? Die Geschäfte sind so voll, daß sie praktisch überlaufen. An der Ecke, wo Prada seinen zweiten, etwas kleineren Laden hat, geht es endgültig nicht mehr weiter. Fußgängerstau. Selbst bei Yamamoto ist es voll. Ich probiere einen schwarzen, seidig glänzenden Mantel an, der innen mit Kunstpelz gefüttert ist und mir fast bis zu den Füßen reicht. Er sitzt wie ein lose zusammengehaltener Kimono. Er sieht aus, als würde er mir schon seit Jahren gehören. Er kostet 13.000 Franc.

Ein anderer Mantel, der ebenfalls bodenlang ist, ist gerade geschnitten und aus Filz. Die Säume sind unbearbeitet. Die Verkäuferin sagt, daß man ihn unten einfach abschneiden könne, wenn er zu lang ist. Wieder vor dem Spiegel: Durch den geraden Schnitt und das Material hat er Ähnlichkeit mit einem Soldatenmantel. Es sieht aus, als hätte ich gerade einen Krieg verloren. Nur eben mit dem Leben davongekommen. Die reine Melancholie. Dieser Mantel kostet 5.000 Franc.

Rezession? Die Modedesigner klagen schon seit Jahren, daß die Geschäfte schlecht gehen. Aber hier im 6. gibt es auf knapp hundert Metern mindestens zehn Modegeschäfte. Um einen Bäcker zu finden, muß man dagegen lange suchen. Wahr ist: Manchen geht es schlecht. Romeo Gigli und Montana mußten ihre Häuser schließen. Dafür wird Dior am Boulevard Saint-Germain ein neues Geschäft eröffnen.

Rezession? Heute beginnen die Prêt-à-porter-Schauen für die Sommermode 1997. Ein Blick auf den Kalender zeigt, daß noch nie so viele junge unbekannte Designer mit dabei waren. Einige große Designer haben sich allerdings verabschiedet: Yves Saint Laurent wird in diesem Jahr kein Defilee veranstalten, sondern nur eine kleine Vorführung in seinem Haus in der Avenue Marceau: kein Laufsteg, keine Musik. Er habe nichts Spektakuläres zu zeigen, nur ein paar Kleider, erklärte er der französischen Presse. Auch Kenzo und Guy Laroche haben sich vorläufig von den Schauen verabschiedet.

Paris wartet gespannt auf die neuen Designer – doch es liegt diesmal Melancholie über den Schauen. Anja Seeliger

Die taz berichtet ab heute täglich von den Pariser Prêt-à-porter- Schauen.

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