Prozess wegen brennender Autos: Politbrandstifter verurteilt
Zum ersten Mal erreicht die Staatsanwaltschaft ein Urteil gegen einen Linken wegen Autobrandstiftung. Der Deal: Für sein Geständnis erhält er eine Bewährungsstrafe.
Erstmalig ist in Berlin ein "politischer Autobrandstifter" verurteilt worden. Das Landgericht sprach am Dienstag den 28-jährigen Thomas K. schuldig, im Juli und September 2010 jeweils einen Volkswagen angezündet zu haben. Nach einem Geständnis bekam der Kreuzberger eine dreijährige Bewährungsstrafe.
Zuletzt waren vermeintliche politische Autozündler mangels Beweisen freigesprochen worden. Im Fall Thomas K. wollten die Ermittler alles richtig machen. Schon länger hatten sie den Arbeitslosen im Visier, observierten wochenlang seinen Hauseingang mit Videokameras. Als K. im September einen VW Golf anzündete, wurde er von Beamten beobachtet. Diese löschten die Flammen und nahmen ihn wenig später fest. Seine Kleidung wurde beschlagnahmt, Hände und Füße wurden zur Spurensicherung in Tüten verpackt. Seitdem saß K. in U-Haft.
Zum Prozess finden sich gut 25 Unterstützer aus der linken Szene ein. In einem Internetblog geißeln sie die Anklage gegen "unseren Genossen" als "abstruse Konstruktion". Blass sitzt Thomas K. in grünem Kapuzenpullover und Jeans auf der Anklagebank, verfolgt beinah teilnahmslos den Prozess. Drei Autobrandstiftungen wirft ihm der Staatsanwalt vor: im Juli, August und September letzten Jahres, jeweils vor seiner Haustür. In zwei Fällen geriet auch ein danebenstehendes Auto in Brand. Die erste Tat wird auf Videoaufnahmen festgehalten.
Er sei sehr betrunken gewesen, habe acht bis zehn Bier getrunken, lässt Thomas K. seinen Verteidiger eine Erklärung verlesen - und gesteht zwei der Brandstiftungen. "Die Person auf den Videos bin ich." Den dritten Autobrand, von der Beweislage unklarer, lässt das Gericht mit Blick auf die Gesamtstrafe fallen. "Es tut mir leid", sagt K. Er habe in den sechs Monaten U-Haft "sehr gelitten", wolle mit seiner Verlobten eine Familie gründen und künftig straffrei leben.
Dann geht alles ganz schnell. Schon im Vorfeld hatten Richter, Staatsanwalt und Verteidiger einen Deal ausgehandelt. Im Falle eines Geständnisses bleibe es bei einer Bewährungsstrafe. Ebendies verkündet am Ende die Richterin: 22 Monate Haft für Brandstiftung und versuchte Sachbeschädigung, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. K. habe mit seinem Geständnis den Prozess "erheblich beschleunigt" und sei nicht vorbestraft gewesen, würdigt die Richterin. Zudem habe die U-Haft sichtlich eine Zäsur dargestellt. Dennoch: Es sei "kein Spaßdelikt", Autos in der Nähe von Wohnhäusern anzuzünden. Die Taten hätten einen hohen Schaden angerichtet. Das fordere eine "deutlich spürbare Strafe", so die Richterin. Von einer politischen Tat spricht sie nicht, lässt das Motiv offen. Auch der Staatsanwalt sieht "eher eine alkoholische Beeinflussung als einen unbeirrbaren Gesinnungstäter".
K. nimmt das Urteil regungslos zur Kenntnis - und darf frei nach Hause gehen. In einem linken Internetportal wird der Prozess ambivalent kommentiert. Die Solidaritätsarbeit habe zu kurz gegriffen, K. sei "hinter den grauen Mauern gebrochen" worden und habe sich deshalb auf ein Geständnis eingelassen. Dennoch sei man froh, "Thomas wieder in unserer Mitte zu haben".
In den letzten Jahren fanden sich erst zwei mutmaßliche Politzündler vor Gericht wieder - beide wurden 2010 freigesprochen. Die große Welle der Autobrandstiftungen scheint ohnehin verebbt. Konstatierte die Berliner Polizei 2010 noch 54 Autobrände, die von ihr als politisch motiviert eingestuft wurden, waren es dieses Jahr bisher nur 8. Im Hochjahr der Autobrände, 2009, gab es noch 221 "politische" Brandstiftungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen