Prozess um tödliche Polizeischüsse: Die Rätsel von Schönfließ
Im Prozess um die Todesschüsse sorgen Gutachten kaum für Klarheit. Chemiker sagt: Schuss kam aus nächster Nähe. Waffenexperte meint: Schuss war aus jeder Position möglich.
Es würden die Gutachten sein, die den Prozess um den Tod des 26-Jährigen Neuköllner Dennis J. am Silvesterabend 2008 entscheiden. In diesem Punkt waren sich alle Beteiligten zu Beginn des Verfahrens um die Todesschüsse einig gewesen, die ein Berliner Polizist im brandenburgischen Schönfließ abgegeben hatte. Inzwischen hat das Landgericht Neuruppin fünfmal getagt und vier Sachverständige angehört - aber immer noch ist nicht klar, unter welchen Umständen J. von einem Berliner Polizisten erschossen wurde.
Ein Chemie-Sachverständiger sagte am Donnerstag immerhin, der tödliche Schuss auf den in einem gestohlenen Jaguar sitzenden J. sei aus einer Entfernung von maximal 1,50 Meter abgefeuert worden. Als Beleg führte er Schmauchspuren an, die an der Fahrertür gefunden wurden. Die Fensterscheibe existiert nicht mehr, sie zerbarst durch den Schuss und fiel später heraus. Mehrere Sachverständige bekundeten inzwischen aber Zweifel, dass der Fundort der Scherben mit der Stelle übereinstimmt, an der der Hauptangeklagte R. stand, als er schoss.
Der Polizist Reinhard R. muss sich wegen Totschlags verantworten. Er hatte insgesamt acht Schüsse auf den im Auto sitzenden J. abgegeben. R. beruft sich auf Notwehr. Die entscheidende Frage des Prozesses, bei der sich die Gutachter widersprechen: Stand oder fuhr der Pkw, als der tödliche Schuss fiel?
Ein Schusswaffenexperte des LKA, der am Donnerstag ebenfalls gehört wurde, spielte in seinem Gutachten mehrere Varianten durch. "Jederzeit" - also aus jeder Position heraus - hätte der tödliche Schuss abgegeben werden können, so sein Fazit. Einem Gerichtsmediziner zufolge starb J. an einem Steckschuss in die Brust, der Tod sei Minuten später eingetreten.
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