Prozess um Betriebsrats-Kündigungen: Detektiv-Einsatz angekündigt
Im Prozess um die angestrebte Kündigung mehrerer Betriebsrätinnen beim Pflegeheimbetreiber Residenz-Gruppe wird mit immer härteren Bandagen gekämpft.
Am Dienstagmorgen herrscht angespannte Stille im Sitzungssaal 7 des Bremer Arbeitsgerichts. Der Beginn der Verhandlung hat sich verzögert und so schweigen sich Arbeitgeberseite und Betriebsrätinnen fast 40 Minuten an, bevor Richterin Sarah Bogner den Saal betritt. Pandemiebedingt gibt es nur fünf Plätze für die Öffentlichkeit. Besetzt sind sie mit Kolleg*innen und Gewerkschaftler*innen von Ver.di, die ihre Ablehnung gegenüber den Ausführungen von Arbeitgeber-Vertreter Franz Michael Koch immer wieder mit Kopfschütteln und Stöhnen zum Ausdruck bringen.
Im Dezember hatte die Residenz-Gruppe, zu der um die 40 Alten- und Pflegeheime in ganz Deutschland gehören, der Bremer Betriebsratsvorsitzenden die fristlose Kündigung ausgesprochen, einen Tag vor Weihnachten. Später ergingen noch Kündigungen an drei weitere Mitglieder des Gesamtbetriebsrates Bremen-Niedersachsen. Zwischenzeitlich hatte die Geschäftsführung den Mitarbeiterinnen ein Hausverbot erteilt und Meyer zwei Drittel ihres Monatslohns nicht gezahlt. Beides konnte aber durch einstweilige Verfügungen abgewendet werden.
Am Dienstag standen nun drei Anträge des Arbeitgebers im Raum: Die Zustimmung des Gerichts zur fristlosen Kündigung der Betriebsratsvorsitzenden und ihrer Stellvertreterin, der Ausschluss der beiden aus dem Betriebsrat und die Auflösung des gesamten Betriebsrats.
Kerstin Bringmann, Ver.di
Die Vorwürfe: Die Vorsitzende soll Mitglieder des Betriebsrats als „unentschuldigt fehlend“ eingetragen haben, obwohl sie gewusst habe, dass diese im Urlaub waren. Für Richterin Bogner fehlen dabei aber Indizien, die ein bewusstes Fehlverhalten der Arbeitnehmervertreterin belegen würden. Zudem soll der Betriebsrat unzulässigerweise in der Betriebsrats-App für eine Gewerkschaft geworben haben. Hier sieht die Richterin zwar einen Fehler, jedoch keinen groben Verstoß, der die Auflösung eines Betriebsrates legitimieren würde.
Außerdem wirft die Residenz-Gruppe den Betriebsrätinnen vor, Arbeitszeitbetrug begangen zu haben. Als Beweis legt sie die Login-Daten der Betroffenen auf ihrem Dienst-Laptop sowie Anwesenheitslisten aus den einzelnen Einrichtungen vor. Beides, argumentiert der Anwalt der Geschäftsführung, habe nicht mit den abgegebenen Stundenzetteln übereingestimmt.
Doch auch in diesem Fall macht Richterin Bogner deutlich, dass die Indizien nicht ausreichen: Die Betriebsrätin hatte erklärt, dass sie die Stunden im Homeoffice gearbeitet hatte, ohne ihren Computer zu benutzen – beispielsweise auch, um juristische Schriftsätze rund um die Betriebsratsarbeit zu lesen. Gleichzeitig habe die Arbeitgeberseite in ihrer Aufstellung Arbeitszeiten unterschlagen, in denen die Betriebsrätin nachweislich Mails verschickt und somit gearbeitet hatte.
Für den Betriebsratsanwalt Michael Nacken ist klar: „Ich habe ganz ehrlich den Eindruck, dass man gesucht hat und gesucht hat, um irgendwas zu finden.“ Die Arbeitgeberseite fragt er direkt, warum sie die Kündigung nicht zurückziehe, nun, da von den Vorwürfen nichts übrig bleibe. „Das wird dann in der nächsten Instanz überprüft“, antwortet deren Anwalt Koch und ergänzt: „Auch wenn man dann noch eine Detektei einschalten muss, um sie lückenlos zu überwachen.“ Gemeint sind die Betriebsrätinnen.
Unzulässige Überwachung
Für den Juristen Nacken ist klar, dass eine solch angedrohte Überwachung nicht zulässig ist. Wenn es einen auf Tatsachen gestützten Verdacht gebe, dass ein*e Arbeitnehmer*in beispielsweise während einer längeren Phase der Krankschreibung in einem anderen Betrieb arbeite, dann könne es zulässig sein, eine Detektei einzuschalten. „Wenn ich aber generell der Meinung bin, das meine Mitarbeiterin im Homeoffice nicht arbeitet, dann reicht das nicht aus“, so Nacken.
„Das sich das ein Arbeitgeber traut zu sagen – in einem Gerichtssaal – das hat mich total erschreckt“ sagt Kerstin Bringmann von Ver.di. Ihr Kollege Jörn Bracker ergänzte auf der Pressekonferenz nach dem Prozess: „Ich habe den Eindruck, es geht dem Arbeitgeber gar nicht darum zu gewinnen, sondern den Betriebsrätinnen das Leben möglichst schwer zu machen.“
Es sei problematisch, dass Großkonzerne das Geld hätten, solche endlosen Prozesse zu führen und die Anwält*innen der Arbeitnehmerseite mit Unterlagen zu überhäufen – immer in der Hoffnung, dass diese doch mal zwei Seiten übersehen.
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