Prozess gegen Terrorverdächtigen Lau: Der Prediger schweigt
Der Salafistenprediger Sven Lau steht vor Gericht. Er gilt als verlängerter Arm der IS-nahen Terrorgruppe Jamwa. Nun droht ihm Haft.
Einige der Männer waren bei der Scharia-Polizei dabei, Laus größtem Mediencoup. Vor zwei Jahren zogen sie in orangefarbenen Signalwesten durch Wuppertal, forderten Muslime vor Kneipen und Spielhallen auf, sich von Alkohol und Glücksspiel fernzuhalten.
Eine einfache Aktion, die landesweit tagelang für Empörung sorgte – bis in die Bundesregierung hinein. Eine Aktion, wie sie Lau gefällt. Der Salafistenprediger ist ein Provokateur, der jede Bühne maximal zu nutzen weiß. Seine Facebookseite hat mehr als 54.000 Likes, 7.000 folgen seinem YouTube-Kanal.
Jetzt sitzt Lau im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts, der Zuschauerraum ist voller JournalistInnen. Es könnte eine große Bühne sein. Doch Lau nutzt sie nicht. Sein Anwalt sagt: „Herr Lau will sich schweigend verteidigen.“
Ihm drohen 15 Jahre
Lau, 35, trägt den Bart kürzer als sonst. Als er seine Glaubensbrüder sieht, lächelt er kurz und winkt. Dann wird sein Blick wieder ernst. Lau war bislang als talentierter Missionar bekannt, der junge Leute mit emotionaler Ansprache für den Salafismus gewann. Jetzt steht viel auf dem Spiel.
Die Bundesanwaltschaft wirft ihm in vier Fällen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor – der Jamwa („Armee der Auswanderer und Helfer“), einer Terrororganisation in Syrien. Ein Teil der Gruppe hat sich inzwischen dem IS angeschlossen. Das Gericht erwägt gar eine Verurteilung wegen IS-Mitgliedschaft. Das könnte Lau bis zu 15 Jahre Gefängnis einbringen.
Doch auch für die Bundesanwaltschaft ist der Prozess, der vergangene Woche begann, am Dienstag fortgesetzt wird und bis Januar terminiert ist, ein außergewöhnlicher Fall. Kann sie dieses Mal einen der bedeutendsten deutschen Salafistenprediger ins Gefängnis bringen? Oder scheitert sie wie die Stuttgarter Staatsanwaltschaft? Diese hatte im Frühjahr 2014 versucht, Lau Terror-Verstrickungen nachzuweisen. Drei Monate saß Lau in Untersuchungshaft, dann ließ die Staatsanwaltschaft mangels Beweise die Anklage fallen. Die Szene jubelte.
Neue Zeugen
Die Bundesanwaltschaft hat nun neue Erkenntnisse, auch zwei neue Zeugenaussagen. Einer der beiden Zeugen ist Ismail I., den Lau laut Anklage zur Terrorgruppe Jamwa nach Syrien gelotst haben soll. I. hat gestanden und Lau belastet, im März 2015 ist er in Stuttgart als Jamwa-Mitglied zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
Laus Verteidiger Mutlu Günal spricht von einem „juristischen Blindflug“ der Bundesanwaltschaft. „Die Anklage wird wie ein Kartenhaus zusammenbrechen“, sagt er schon vor Prozessbeginn. Der eine Belastungszeuge sei „ein notorischer Lügner“, der andere „verrückt“.
Ismail I., der früher mit seinem Leben nicht klarkam und Drogen nahm, könnte für die Bundesanwaltschaft ein nicht ganz einfacher Zeuge sein. Der Psychiater, der I. während seines Stuttgarter Prozesses begutachtete, sprach von einer „schwachen“ und „unfertigen“ Persönlichkeit. Von den beiden Zeugenaussagen aber wird auch abhängen, ob das Gericht der Anklage folgen wird.
Vom Feuerwehrmann zum Islamisten
Lau stammt aus einer katholischen Familie in Mönchengladbach, ist ausgebildeter Feuerwehrmann und Vater von fünf Kindern. Mit 19 konvertierte er, mit 24 pilgerte er erstmals nach Mekka, kurz darauf lernte er den Salafistenprediger Pierre Vogel kennen, ein Konvertit wie er. Seit 2008 ist Lau unter dem Namen Abu Adam als Prediger aktiv.
Mit Reden, in denen er auf lebensnahe Fragen junger Leute eingeht, wurde Lau schnell bekannt. Dominik Schmitz, früher ein enger Vertrauter Laus, der inzwischen aus der Szene ausgestiegen ist, hat Laus Predigten gefilmt und bei YouTube hochgeladen. Das hat ihre Moschee in Mönchengladbach zu einem bundesweiten Hotspot für Salafisten gemacht. „Lau hat es auf Aufmerksamkeit angelegt“, sagt Schmitz.
Lau wollte die Moschee zu einem Missionszentrum ausbauen, doch das scheiterte an den Anwohnern. Frustriert zog er nach Ägypten, um – wie er sagte – sein religiöses Wissen zu vertiefen. 2013 ließ das Land ihn nach einem Deutschlandbesuch nicht mehr einreisen.
Lau, so führt Staatsanwalt Malte Merz am ersten Prozesstag aus, verstehe den Dschihad als religiöse Pflicht. In Reden und Videobotschaften, die eine hohe suggestive Wirkung hätten, legitimiere er die Teilnahme am bewaffneten Kampf. In seiner Heimatstadt Mönchengladbach habe er junge Männer radikalisiert, einer von ihnen sei später Führer einer Jamwa-Untergruppe in Syrien geworden. Da habe Lau die Chance gesehen, ein Netzwerk zur Vermittlung von Kämpfern aus Deutschland aufzubauen.
Spätestens seit 2013 sei Lau „der verlängerte Arm der Jamwa“ in Deutschland gewesen, „Ansprechpartner für Kampf- und Ausreisewillige“, insbesondere aus dem Großraum Düsseldorf. Von ihm organisierte Pilgerreisen nach Mekka habe er zur Rekrutierung genutzt. 2013 soll Lau zwei Männer nach Syrien vermittelt haben. Ismail I. und Zoubeir L. Weil L. sich nicht in die Gruppe einfügte, soll Lau ihn wieder abgeholt haben. Lau soll auch Bargeld und Nachtsichtgeräte, die er in Deutschland besorgt hatte, der Jamwa überbracht haben.
Ein Foto, das die Ermittler sichergestellt haben, zeigt ihn auf einem Panzer, ein weiteres mit einer Kalaschnikow. Dass Lau in Syrien war, ist unstrittig, er will dort aber humanitäre Hilfe geleistet haben.
Unterstützung im Gerichtssaal
In der linken Ecke des Gerichtssaals, weit von Laus Freunden von der Scharia-Polizei, sitzen vier weitere Anhänger. Einer davon: Bernhard Falk, der Salafist, der früher ein Linksterrorist war, heute mit al-Qaida sympathisiert und „muslimische politische Gefangene“ unterstützt. Im Internet hat er dazu aufgerufen, „aktiv solidarisch mit Bruder Abu Adam zu sein“.
Draußen auf dem Gang hat der bullige Mann mit dem islamischen Glaubensbekenntnis auf der olivgrünen Jacke schon vor Prozessbeginn verkündet, dass dies „die klarste Form des politischen Prozesses“ sei: „Die Anklage ist konstruiert, um einen unserer bekanntesten Prediger zu diskreditieren.“ Lau habe in Syrien nur helfen wollen.
Anders als Falk bleibt Laus alter Freund Pierre Vogel dem Prozess fern. In einem Video bezweifelte Vogel, ob das Aufmarschieren im Gerichtssaal für Lau förderlich sei. Leute, die vorbestraft seien oder ihren Pass abgeben mussten, könnten bei Gericht einen schlechten Eindruck machen. Anders als Lau hat sich Vogel klar vom IS distanziert, dem „idiotischen Staat“, wie er es nennt. Für den IS ist Vogel ein Abtrünniger, den es zu töten gilt. Auch in der Szene hierzulande wird er angefeindet, Lau nicht.
Als der erste Prozesstag nach weniger als einer Stunde beendet ist, sucht der Prediger Blickkontakt mit seinen Anhängern. Dann hebt er den rechten Daumen und grinst.
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