Prozess gegen Pussy-Riot-Unterstützer: Kirchenfeindliches im Kölner Dom
AktivistInnen entrollten auf dem Altar des Kölner Doms ein Transparent. Das Urteil gegen einen Pussy-Riot- Unterstützer ist milde: 30 Tagessätze à fünf Euro.
KÖLN taz | Richter Rolf Krebber übt sich in unendlicher Geduld. Nur kurz unterbricht er den Angeklagten, der sich selbst verteidigt: „Sie versprechen mir aber, dass wir irgendwann wieder beim Kölner Dom landen.“ Patrick H. lässt sich nicht aus dem Konzept bringen. Eine weitere halbe Stunde trägt er seinen „Beweisantrag“ vor, der eher ein Referat über den wenig segensreichen Einfluss der katholischen Kirche ist.
Als der 36-Jährige seine Ausführungen beendet, brandet Beifall unter seinen SympathisantInnen im Zuschauerraum auf. „Den Applaus haben Sie sich verdient“, lobt Richter Krebber. Nur leider sei dieser „beeindruckende historische Diskurs“ nicht prozessrelevant. Antrag abgelehnt – wie viele andere an diesem Montag im Saal 2 des Amtsgerichts Köln.
Prozessrelevant ist für das Gericht nur, was am 19. August 2012 während eines Gottesdienstes im Kölner Dom geschehen ist: Aus Solidarität mit den kurz zuvor in Russland verurteilten Mitgliedern der Punkband Pussy Riot sprangen mehrere vermummte AktivistInnen auf den Altar, entrollten ein Transparent und riefen laut Anklage „kirchenfeindliche Parolen und lautstarke Protestbekundungen“. Bis sie von den Domschweizern, einer Art Kirchen-Security, nach draußen befördert und der Polizei übergeben wurden.
Einer der DemonstrantInnen war Patrick H., was ihm eine Strafanzeige einbrachte. Da er einen Strafbefehl über 40 Tagessätze zu je 30 Euro auf Bewährung abgelehnt hatte, kam es nun zum Prozess. Ein erster Verhandlungstag musste im Mai nach einem Sit-in von UnterstützerInnen abgebrochen werden. Dank diverser Beweis- und Befangenheitsanträge von Patrick H. hatte der Prozess auch diesmal mitunter den Charakter eines Spektakels.
Erst nach drei Stunden schaffte es Richter Krebber, in die Beweisaufnahme einzutreten. Nach der Betrachtung eines Videos von der Aktion sowie der Vernehmung von zwei Domschweizern und drei Polizisten ließ die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe wegen versuchter Nötigung und Körperverletzung fallen. Womit von der Anklage nur noch der Paragraf 167 übrig blieb: Wegen Störung der Religionsausübung wurde Patrick H. zu 30 Tagessätzen à fünf Euro verurteilt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel