Prozess gegen Patientenmörder: Folgenreiche Erinnerungslücken
Für einige ZeugInnen hat der Prozess gegen Niels Högel bereits Konsequenzen. Auch das Klinikum Oldenburg reagiert.
OLDENBURG taz | Auch wenn noch kein Urteil gefallen ist, der Prozess gegen den ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel hat bereits jetzt erste Konsequenzen. Am Donnerstag wurde bekannt, dass die Oldenburger Staatsanwaltschaft gegen fünf ZeugInnen Ermittlungsverfahren wegen Meineids beziehungsweise Falschaussage eingeleitet hat.
Alle fünf arbeiteten mit Högel im Klinikum Oldenburg, als der dort seine Mordserie begann. Die zwei Mitarbeiter, die noch am Klinikum arbeiteten, wurden daraufhin am Freitag mit sofortiger Wirkung freigestellt, wie die Klinikleitung bekannt gab.
„Eine mögliche Falschaussage vor Gericht torpediert die Bemühungen des Klinikums um schonungslose, lückenlose Aufklärung und kann nicht toleriert werden“, heißt es in der Stellungnahme des Krankenhauses. Vorverurteilungen gelte es aber zu vermeiden, bis die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgeschlossen seien.
Die Aussagen mehrerer Ex-KollegInnen Högels waren von Erinnerungslücken geprägt. Sowohl Richter Sebastian Bührmann als auch die Staatsanwaltschaft und die VertreterInnen der Nebenklage waren verwundert und verärgert. Einige ZeugInnen vereidigte Bührmann.
Bei einer Verurteilung droht eine Haftstrafe
So beispielsweise den stellvertretenden Leiter der Station, auf der Högel mordete. „Mir fällt auf, dass Sie in diesem Punkt nicht viel wissen. Ich kann das so nicht glauben“, sagte Bührmann, als dieser im Januar vor Gericht aussagte. Er habe nie Gerüchte über Högel gehört und auch von Spitznamen wie „Todes-Högel“ will er nichts gewusst haben, sagte der Mann damals. Genauso ahnungslos zeigte sich ein Oberarzt der Station. Auch hier äußerte Bührmann Zweifel.
Insgesamt vier Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft wegen Meineids eingeleitet. Details nennt sie nicht. Sollte den ZeugInnen eine Falschaussage unter Eid nachgewiesen werden können, droht ihnen mindestens ein Jahr Haft. Ein fünftes Verfahren wurde wegen Falschaussage ohne Eid eingeleitet. Dem Betroffenen drohen drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe.
Der Prozess gegen Niels Högel wird am 21. Februar mit weiteren ZeugInnen-Befragungen fortgeführt. Högel werden 100 Morde zur Last gelegt, die er zwischen 2000 und 2005 in Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst begangen haben soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen