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Prozess gegen Jörg KachelmannFreispruch zweiter Klasse

Das Landgericht Mannheim spricht Jörg Kachelmann vom Vorwurf der Vergewaltigung frei. Dabei hält es die Vorwürfe gegen ihn durchaus für glaubwürdig.

Von der Medienmeute bedrängt: Kachelmann verlässt das Landgericht. Bild: dpa

MANNHEIM taz | Jörg Kachelmann wird nicht wegen Vergewaltigung verurteilt. Das Landgericht Mannheim entschied am Dienstag "in dubio pro reo - im Zweifel für den Angeklagten.". Der Vergewaltigungsvorwurf von Sabine W.*, seiner ehemaligen Geliebten, konnte nicht mit ausreichender Sicherheit bewiesen werden. "Es blieben begründete Zweifel an der Schuld von Herrn Kachelmann", sagte der Vorsitzende Richter Michael Seidling. Er betonte allerdings mehrfach, dass das Gericht der Frau keine falsche Beschuldigung vorwirft.

Juristisch gibt es keinen Freispruch erster und zweiter Klasse. Die Rechtswirkung eines Freispruchs ist immer dieselbe. Für die öffentliche Wahrnehmung macht es aber einen großen Unterschied, ob das Gericht die erwiesene Unschuld des Angeklagten feststellt oder nur wegen verbliebener Zweifel freispricht. So gesehen war das Kachelmann-Urteil eindeutig ein "Freispruch zweiter Klasse". Etwas anderes war aber auch nicht zu erwarten. Schließlich hatte die Kammer unter Richter Seidling bisher immer gegen Kachelmann entschieden, zum Beispiel als das Verfahren eröffnet wurde.

Der Schweizer Wettermoderator Jörg Kachelmann war im März 2010 festgenommen worden. Der Anklage zufolge soll Kachelmann seine langjährige Geliebte einen Monat zuvor in ihrer Wohnung in Schwetzingen bei Heidelberg vergewaltigt haben. Der Ablauf des Abends blieb jedoch auch nach einem neunmonatigen Prozess mit 43 Verhandlungstagen umstritten.

Sabine W. sagte, sie habe Kachelmann auf sein Verhältnis zu einer anderen Frau angesprochen, Kachelmann habe dann mehrere Nebenbeziehungen zugegeben und sie wiederum die Beziehung mit Kachelmann für beendet erklärt. Dieser sei daraufhin in die Küche gegangen, habe ein Messer geholt und habe sie mit der Klinge am Hals vergewaltigt. Ganz anders jedoch die Schilderung Kachelmanns: Man habe zuerst einvernehmlich Sex gehabt, dann gab es beim Essen eine konflikthafte Aussprache, anschließend sei er gegangen. Die Anzeige sei am nächsten Morgen aus "Hass und Rache" erfolgt, so die Verteidigung, weil sich Sabine W. betrogen und nun um ihre Lebensperspektive mit Kachelmann gebracht sah.

"Die menschliche Erkenntnismöglichkeit ist begrenzt", sagte Richter Seidling bei der Urteilsbegründung. Deshalb sei unklar geblieben, ob der Geschlechtsverkehr zwischen Sabine W. und Kachelmann erzwungen war oder nicht. Sowohl Kachelmann als auch die Exfreundin hätten in Teilpunkten die Unwahrheit gesagt. Außerdem habe es für keine der beiden Versionen absolut sichere objektive Beweismittel gegeben, so Seidling.

Während Kachelmanns Verteidigung eine Strafverfolgung von Sabine W. wegen falscher Verdächtigung gefordert hatte, nahm das Gericht die als Nebenklägerin auftretende Frau ausdrücklich in Schutz. Es sei möglich, dass jemand in Randbereichen die Unwahrheit sage, der Kern der Aussage aber stimme.

W. musste im Ermittlungsverfahren zugeben, dass sie nicht erst am mutmaßlichen Tattag von einer Zweitbeziehung Kachelmanns erfahren hatte. Auch hielt das Gericht für möglich, dass W. Verletzungen, vor allem allzu symmetrische Kratzspuren, sich selbst zugefügt hat. Dies könne aber auch dem Ziel gedient haben, einen berechtigten Vorwurf glaubwürdiger erscheinen zu lassen, so die Richter.

Umgekehrt betonte Richter Seidling mehrfach, dass auch Kachelmann in Details die Unwahrheit gesagt habe. Zudem sei er ein Manipulator gewesen, der Frauen an sich band, indem er ihnen eine gemeinsame Lebensperspektive vorspielte und sie "tief in ihrem weiblichen Erleben berühren konnte", so Richter Seidling. Da aber Kachelmann der Angeklagte war, kam es vor allem auf die Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Simone W. an. Er wurde vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. "Die Grundlage für eine Verurteilung war nicht tragfähig genug", erläuterte der Richter.

Als der Freispruch verkündet wurde, brandete im Mannheimer Gerichtssaal Jubel und Beifall auf. Kachelmann nahm den Richterspruch dagegen regungslos hin. Sabine W. saß nach der Verkündung noch zusammengekauert auf ihrem Platz und verließ dann weinend den Gerichtssaal durch eine Seitentür.

Kachelmann bekommt Entschädigung für vier Monate Untersuchungshaft. Er war erst im Juli 2010 auf Intervention des Oberlandesgerichts Karlsruhe aus der U-Haft freigekommen.

* Name geändert

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11 Kommentare

 / 
  • N
    nachdenken

    "W. musste im Ermittlungsverfahren zugeben, dass sie nicht erst am mutmaßlichen Tattag von einer Zweitbeziehung Kachelmanns erfahren hatte. Auch hielt das Gericht für möglich, dass W. Verletzungen, vor allem allzu symmetrische Kratzspuren, sich selbst zugefügt hat. Dies könne aber auch dem Ziel gedient haben, einen berechtigten Vorwurf glaubwürdiger erscheinen zu lassen, so die Richter."

     

    Mich würde interessieren:

     

    Ist es erlaubt, zu lügen oder zu übertreiben, um "einen berechtigten Vorwurf glaubwürdiger erscheinen zu lassen"?

     

    Weil das wäre ein Schlag ins Gesicht für viele, viele Vergewaltigungsopfern, bei denen das Verfahren eingestellt wurde, eben weil sie nicht übertrieben oder teilweise gelogen haben.

     

    Eigentlich ist DAS ja das Hauptproblem mit Vergewaltigungsverfahren generell. Dass Opfer, welche im Ermittlungsverfahren die Wahrheit und nur die Wahrheit sagen, nicht ernst genommen werden. Und es gar nicht zur Anklage kommt.

     

    Bin ich doof, weil ich nicht gelogen habe oder übertrieben habe?

  • AO
    Angelika Oetken

    Das Gericht hat korrekt gearbeitet und angemessen entschieden.

     

    Der Fall ist nicht eindeutig genug, um den Angeklagten für unschuldig zu erklären oder eben nicht.

     

    Das liegt allerdings am gesamten Verlauf des Prozesses und auch daran, dass das mutmaßliche Opfer beweisen muß, dass es zu Schaden gekommen ist.

     

    Woran es in Deutschland ganz entschieden hapert, ist schon allein die Beweissicherung. Selbst wenn Kinder betroffen sind, dann ist es schwer, jemanden zu finden, der auf sexualisierte Misshandlung spezialisiert ist.

     

    Dann: das Thema "Glaubwürdigkeitsgutachten" und überhaupt die Kenntnis über die Verbreitung sexualisierter Übergriffe ist ebenfalls nur rudimentär. Hier stehen einfach zu häufig "gefühlte" Tatsachen im Vordergrund. Weil das Wissen über die Zusammenhänge sexualisierter Gewalt vollkommen unzureichend ist.

     

    Hoffentlich lernt die Justiz aus diesem Fall: Anwälte, die v.a. Spektakel veranstalten ausschließen, Medienvertreter müssen bitte draußen bleiben, verschiedene Expertenmeinungen einholen und v.a auf die Studien zum Thema schauen, die es schon gibt.

     

    Und was können Frauen und Männer lernen, die einen "Partner" haben oder suchen: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" und "Vertrau dir selbst, bevor du anderen vertraust".

  • N
    nora

    Eine unrühmliche Rolle in der Medien-Fledderei spielte auch die notorisch egozentrische Alice Schwarzer, die ja seit geraumer Zeit um (gut bezahlte?) Medien-Präsenz bemüht ist. Was hatte diese altgediente 'Salon'-Feministin in diesem Prozess als Zeugin zu suchen? Als 'Frauenversteherin' ausgerechnet von der BLÖD-Zeitung mit ihren frauen-verachtenden Pin-Ups – aber Geld geht eben vor Ehre. Sichtlich genoss sie die Aufmerksamkeit im Blitzlichtgewitter, begründete ihre Parteinahme mit althergebrachten Klischees wie aus einschlägigen TV-Soaps. Der Anklägerin hat das nicht unbedingt geholfen.

    Eine attraktive, emanzipierte moderne Frau sei sie, laut Schwarzer. Kachelmann hat, so ist bestätigt, seine Dauer-Geliebte nur sporadisch besucht, manchmal monatelang nicht. Nach dem Sex verschwand er. Der Rest war digitales Geplänkel, wie es heute in Chats üblich ist.

    Eine eheähnliche (!) Beziehung sei das gewesen, urteilt Schwarzer. Mit 'heiraten wollen, Haus und Kindern und so..'

    Das war wohl eher die Illusion einer schwach emanzipierten Frau, die sich an den Traum klammerte, 'Frau Kachelmann' zu werden, das große Leben! Er hatte das ausgenutzt. Aber warum macht eine Frau so etwas 11 Jahre lang mit? Keine Beziehung, sondern ein (Zweck-) Verhältnis.

    In ihrer Wohnung fand die Polizei keine persönlichen Dinge des 'Lebenspartners', nichtmal eine Zahnbürste - nur ein Foto am Kühlschrank! Sie erklärte, sie habe alle seine Dinge konsequent entfernt. Warum dann nicht das Foto?Unglaubwürdig.

    Ihr Schockzustand nach diesem Abend mag nachvollziehbar sein, aber vielleicht, weil an diesem Abend ihr Lebenstraum zerplatzt ist, Frau Kachelmann zu werden – auf den sie sich bis in ihre späten Dreissiger (!) fixiert hatte. Unerwartet und brutal, aber nicht nachweislich durch eine Vergewaltigung.

     

    Kachelmann mag ein Macho sein, manchen Frauen gefällt das. Sein Privatleben nicht gerade solide, aber auch nicht so ungewöhnlich wie man denken mag. Millionen Männer unterhalten mehrere "Verhältnisse" gleichzeitig, auch parallel zu ihrer Ehe, wurschteln sich mit Lügen durch. Aber nicht alle Frauen sind heute so naiv oder eben auch besitzergreifend wie die Anklägerin.

    Der Fall ist eine Kette von Lügen, Eitelkeiten und Ungereimt-heiten – bei allen Beteiligten. Darum wurde er so ausgeschlachtet.

    Strich drunter und eine Chance auf Neuorientierung. Aber bitte kein Revival. Unschuldslämmer waren sie beide nicht.

  • A
    atypixx

    Die lächerliche Höhe der Entschädigungssumme für zu Unrecht erlittene U-Haft hätte man noch nennen können, möglicherweise auf den Tag runtergerechnet.

  • MK
    Machel Kann

    Die Überschrift dieses Artikels:

    "Freispruch zweiter Klasse"

    Im Artikel:"Juristisch gibt es keinen Freispruch erster und zweiter Klasse."

    Ja was denn nun Herr Rath? Angeblich sind Sie Jurist und Journalist! Mann, Mensch, seien Sie doch mal eindeutig!

    Sie klingen ja fast wie Alice im BILDerland (irgendwo im Netz las ich von Sudel-Alice).

    Na ja, Hauptsache, man schreibt irgendwas.

  • A
    Andy

    > Kachelmann bekommt nun Haftentschädigung für vier

    > Monate Untersuchungshaft.

     

    Könntet ihr BITTE mal darauf hinweisen, daß dies ziemlich irreführender Unfug ist? Er kriegt ca. 30€ pro Tag. Das ist ein absoluter Witz.

     

    In unserem "Rechtsstaat" darf man zwar (vielleicht) nur Schuldige verurteilen, aber (ganz sicher) auch Freigesprochene gründlich zu ruinieren. Egal wer angeklagt ist, egal was der Vorwurf ist. DIES wäre eine gute Gelegenheit mal darauf hinzuweisen.

  • H
    Holzbein

    Eine Tragödie, bei der nur die Nebenklägerin und der Beklagte wissen, wer hier das Opfer ist. Beide haben Schaden genommen. Sollte die Anschuldigung gerechtfertigt gewesen sein, ist der Frau furchtbares Unrecht widerfahren - sollte Herr Kachelmann unschuldig sein, bleibt ihm ein enormer beruflicher und finanzieller Schaden. Nach allem, was mir bekannt ist, hat das Gericht korrekt und nachvollziehbar "im Zweifel für den Angeklagten" entschieden. Eine Tragödie bleibt es trotzdem.

  • S
    Schlummi

    Nur als Anregung:

     

    Könnt Ihr Euch bei der "Entscheidung des Tages"-Umfrage nicht auf zwei Auswahlmöglichkeiten beschränken ?

     

    z.B. Richtig/Falsch oder Dafür/Dagegen.

     

    Das würde das Umfrage-Ergebnis exakter abbilden.

  • T
    Thomas

    Ich kann nur hoffen, dass dieser Mann nicht weiterhin von meinen GEZ-Gebühren bezahlt wird.

     

    Er war mir vorher unsympathisch, jetzt erscheint er mir mehr als dubios. Und als Freispruch ist es allemal nur zweiter Klasse.

  • S
    Schlummi

    Freispruch 1. oder 2. Klasse, also wegen "erwiesener Unschuld" bzw. "aus Mangel an Beweisen" gibt es schon lange nicht mehr - ein Freispruch ist ein Freispruch.

     

    Ein Verbrechen, das außer "Täter" und "Opfer" keine weiteren Zeugen hat, ist, wenn sich beide Aussagen widersprechen, nur in einem Indizienprozeß zu klären.

     

    Die Indizien war dürftig, die Glaubwürdigkeit der Dame nach entscheidenden Lügen erschüttert.

     

    Ergo ein Freispruch - und das ist gut so.

  • TF
    Torben Fichtel

    Mehr als ein Freispruch zweiter Klasse war von diesem voreingenommenen Gericht nicht zu erwarten. K muß so gestellt werden wie vor dem ganzen Verfahren. Das wird hoffentlich teuer für die Ex. Schön wäre, wenn auch Bild und Schwarzer für das, was sie angerichtet haben, zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Zumindest letztere hat sich um ihr journalistisches Renommee gebracht (SZ), ist aber in Zukunft bei Bild gut aufgehoben.