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Prozess gegen Gouverneur von JakartaHaft wegen Gotteslästerung

Der christliche indonesische Politiker muss nach einer Blasphemieklage für zwei Jahre ins Gefängnis. Er habe im Wahlkampf den Islam beleidigt.

Gouverneur Basuki „Ahok“ Tjahaja Purnama nach der Urteilsverkündung Foto: dpa

BERLIN taz | Schock für die liberalen Kräfte in Indonesien: Ein Gericht in Jakarta hat Basuki Tjahaja Purnama, den alle nur Ahok nennen, wegen Blasphemie zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Er wurde unmittelbar nach der Urteilsverkündung verhaftet. Das Gericht befand den 50-Jährigen noch amtierenden christlichen Gouverneur der Hauptstadt für schuldig, in einer Wahlkampfrede Ende September 2016 den Islam beleidigt zu haben.

Damit gingen die fünf Richter über das Plädoyer der Staatsanwaltschaft hinaus. Diese hatte nur eine Bewährungsstrafe gefordert für eine Aussage, die unter normalen Umständen als Meinungsäußerung gelten würde.

Islamisten hatten in dem Land mit der größten muslimischen Bevölkerung gegen den Christen chinesischer Abstammung im Wahlkampf um das Amt des Gouverneurs von Jakarta mobilisiert mit dem Argument, der Koran verbiete es Gläubigen, für einen Nichtmuslim zu stimmen. Ahok hatte dem widersprochen und gesagt, der Koran verbiete das nicht. Wer das glaube, lasse sich in die Irre führen. Islamisten werteten Ahoks in einem Videomitschnitt manipulierte Rede so, also hätte er gesagt, der Koran führe Menschen in die Irre.

Mehrfach mobilisierten Islamisten in den letzten Jahren im traditionell toleranten Indonesien Hunderttausende Demonstranten gegen den Gouverneur. Er galt bis dahin als einer der beliebtesten Politiker des Landes und Favorit für die Gouverneurswahl. Unter dem Druck der Islamisten nahm die Justiz Ermittlungen auf und klagte Ahok schließlich an. Im ersten Wahlgang verfehlte er die absolute Mehrheit und musste dann Mitte April in die Stichwahl. Die verlor er dann gegen einen muslimischen Kandidaten.

Beobachter werteten das gesamte Verfahren als politisch motiviert. Sie bemängelten zudem, dass das Gericht bereits von Blasphemie spreche, wenn jemand nur einer islamistischen Koraninterpretation widerspricht.

Andreas Harsono von Human Rights Watch drückt die Sorgen vieler liberaler Indonesier aus: „Ahoks Fall ist der größte Blasphemiefall in Indonesiens Geschichte. Er ist der Gouverneur von Indonesiens größter Stadt, ein Verbündeter des Präsidenten. Wenn er ins Gefängnis gesteckt werden kann, was droht dann anderen?“

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4 Kommentare

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  • Ein Gericht in Jakarta/ Indonesien verurteilt den christlichen Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama „wegen „Blasphemie“ zu zwei Jahren Gefängnis, weil er nicht das Gebot des Koran beachtet habe, das es angeblich den sog. „Gläubigen“ (gemeint sind Muslime) verbiete, bei einer politischen Wahl für einen Nichtmuslim zu stimmen, z.B. für einen Christen wie Basuki Tjahaja Purnama.

    Na gut, religiöser Übereifer. Das kann ja mal vorkommen. Das gab es früher bei uns auch. Doch ich hoffe auf Rettung: Die katholische Welt und die aufgeklärte Welt sind nicht ganz ohne Einfluss. Sie werden da sicherlich helfend eingreifen. Also frage ich: Was sagt denn wohl Papst Franziskus zu dieser Christenverfolgung, was Kardinal Reinhard Marx, was die EKD, was unsere Bundeskanzlerin, was unser Außenminister, was die Parteien des Bundestages, was die Gewerkschaften, was die Antifanten?

    Allein, alle diese Amtsträger, Funktionäre und Ehrenamtler schweigen. Wie das? Etwa deswegen, weil es mittlerweile in meinungsbildenden Kreisen der westlichen Welt als „intolerant“ gilt, sich kritisch über viele Unsitten und solcherlei Unrecht zu äußern unter Berufung auf den Islam?

    Das täte mich interessieren!

    Martin Korol, Bremen

  • sehr gut erkannt

  • Aus unserer Sicht hat nicht Basuki Tjahaja Purnama Grenzen übertreten sondern die islamistischen "Gelehrten", die mit einer religiösen Begründung die freie Wahl einschränken wollten. Die Kritik an der religiösen Grenzübertretung wird dann als Blasphemie verurteilt. Folgt man der Argumentation, so ist nicht nur jede andere Interpretation des Islam strafbar, sondern auch jedes Hochhalten von säkularen, staatlichen Werten. Die Strafbarkeit von Blasphemie führt damit indirekt islamisches Strafrecht ein. Jeder, der mit seinem Reden oder Handeln islamische Werte in Frage stellt, kann damit verurteilt werden.

    Wir haben innerhalb von Jahrhunderten die weltliche Macht des Christentums mühsam in seine Schranken gewiesen. Nun werden wir bei uns mit einer weiteren Religion konfrontiert, die erneut Machtkämpfe sucht. Es geht doch nicht um Kopftücher oder Schwimmunterricht! Es geht um einen Machtkampf: Kann der Islam den Gläubigen Dinge verordnen und sich damit gegen andere Regelwerke durchsetzen? Das Christentum hat sich auch nicht willig dem säkularen Staat untergeordnet. Zu glauben, dass der Islam dies tun wird, ist mehr als naiv. Das Beispiel Indonesien bestätigt nur, dass der Islam danach strebt immer mehr Macht zu erhalten und danach sucht einen Staat zu dominieren. Ließe man den Katholizismus gewähren, würde er in die gleiche Richtung gehen - um das zu sehen, genügt ein Blick nach Polen. Daher müssen wir islamistischen Grenzüberschreitungen genauso Einhalt gebieten wie katholische Angriffe auf den straffreien Schwangerschaftsabbruch. Zudem dürfen wir weder Islam noch Christentum die Definition überlassen, was Blasphemie ist.

    • @Velofisch:

      Stimme mit kleinen Ausnahmen, ausnahmslos zu. Danke für diese kühle Analyse