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Prozess gegen BeamtePolizist vertickt Daten

In Hannover steht ein Polizeibeamter vor Gericht. Er soll Dienstgeheimnisse abgerufen und als Privatdetektiv an Kunden weitergegeben haben.

Der Hauptangeklagte bespricht sich mit seinem Verteidiger Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Hannover taz | Die Geschichte klingt nach einem schlechten Drehbuch: Vor dem Landgericht Hannover wird gegen einen Polizisten verhandelt, der sich nebenbei als Privatdetektiv betätigt – und dabei Daten aus dem Dienstcomputer verkauft haben soll. Mit ihm vor Gericht stehen zwei Kollegen, die er angestiftet haben soll, und ein Unternehmer, der sein Hauptauftraggeber war.

Dessen Geschichte ist besonders kurios: Der Unternehmer aus der Fitnessbranche war in einem Zivilgerichtsprozess wegen einer Mietsache im teuren Rosmarin-Carré in Berlin unterlegen. 3,1 Millionen Euro kostete ihn das. Und offenbar das letzte bisschen Vertrauen in den Rechtsstaat: Er witterte eine Verschwörung, an der die Richterinnen aus zwei Instanzen, die Anwält:innen der Gegenseite und möglicherweise sogar sein eigener Anwalt beteiligt gewesen sein sollen.

Um diesen Komplott aufzudecken, engagierte er die Firma „Global Service & Solution“ des Hauptangeklagten. Der besorgte Daten aus polizeilichen Informationssystemen, klebte GPS-Tracker unter die Autos der „Verdächtigen“, also der Richterinnen, und erstellte Soziogramme aus den Bewegungsmustern.

So zumindest stellt es die Staatsanwaltschaft dar – und die beiden Hauptangeklagten haben große Teile der Vorwürfe auch schon eingeräumt.

Rund 82.000 Euro soll er kassiert haben

Von 2014 bis 2016 währte die Geschäftsbeziehung. Die Verlesung der Anklageschrift dauert wegen der Vielzahl der Einzeltaten fast eine Stunde. Rund 82.000 Euro soll der Hauptangeklagte Thomas M. im Laufe der Zeit kassiert haben. Und er soll im Verlauf auch weitere Daten von Mitarbeitern oder Geschäftspartnern seines Auftraggebers aus verschiedenen Informationssystemen abgefragt haben – dabei ging es um ­Adressen, Autozulassungen und Vorstrafen.

Ähnliche Aufträge soll er noch für zwei weitere Firmen erledigt haben. Die müssen sich auch noch wegen Bestechung verantworten, allerdings in gesonderten Verfahren.

Die Kollegen von Thomas M. kassierten insgesamt deutlich weniger. Einer, Andreas G., trat anfangs als Geschäftspartner auf, zog sich dann allerdings zurück. Ein weiterer Kollege, Markus K. aus Berlin, ließ sich gar mit insgesamt rund 2.500 Euro abspeisen – obwohl er seinen Job und seine Pension aufs Spiel setzte. Er ist mittlerweile freiwillig aus dem Dienst ausgeschieden.

Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft noch zwei weitere Polizisten auf der Liste. Gegen sie wurde das Verfahren eingestellt. Sie hatten in ihren Dienststellen Daten abgefragt, um die Thomas M. sie gebeten hatte – ohne dafür Geld zu bekommen, wohl auch ohne zu wissen, dass die Daten gar nicht aus dienstlichen Gründen benötigt wurden.

Hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren hinaus gezögert?

Die Verfahrensdauer ist in diesem Fall allerdings ein weiteres Problem. Der Verteidiger des Hauptangeklagten Thomas M., Matthias Steppuhn, warf der Staatsanwaltschaft vor, das Verfahren absichtlich verschleppt zu haben. Obwohl die Fakten alle bekannt gewesen seien, sei der Prozessbeginn verzögert worden. Und dies habe für seinen Mandanten ganz erhebliche Konsequenzen gehabt – auch psychischer Art.

Gleichzeitig hat auch das Verfahren gegen den Mitangeklagten Andreas G. schon eine Extraschleife gedreht. Die Strafkammer wollte es erst gar nicht eröffnen, weil G. sich ja frühzeitig aus dem Geschäft zurückgezogen hatte. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht Beschwerde ein – und bekam Recht.

Der Vorsitzende Richter der zweiten Strafkammer, Joachim Lotz, ist nun bemüht, das Verfahren zügig zum Abschluss zu bringen. Er regt eine Einigung an. Anderthalb weitere Stunden benötigten die Kammer, die vier Anwälte und die Staatsanwältin, um einen ungefähren Strafrahmen auszuloten. Damit entfallen weite Teile der Beweisaufnahme und der Prozess kann in wenigen Sitzungen zu Ende gebracht werden.

Der Hauptangeklagte will seine eigene Version erzählen

Eingestellt wird das Verfahren gegen Andreas G., den Aussteiger. Er muss eine Geldstrafe von 500 Euro zahlen. Weiter verhandelt wird gegen die restlichen drei Angeklagten. Bei dem Berliner Ex-Polizisten Markus K. wird es wohl auf eine Bewährungsstrafe zwischen einem und anderthalb Jahren hinauslaufen – Job und Pension ist er schon los. Bei dem Unternehmer kommen eine empfindliche Geldstrafe oder eine Bewährungsstrafe in Betracht.

Der Hauptangeklagte solle auf jeden Fall auf ein Strafmaß kommen, mit dem der weitere Polizeidienst unmöglich wird, erklärt der Richter. Noch ruht nämlich das Disziplinarverfahren gegen ihn und er schiebt bei verminderten Bezügen Dienst in der Verwaltung.

Thomas G. lässt seinen Verteidiger ausrichten, er akzeptiere diese Prämisse und beabsichtige, ein umfassendes Geständnis abzugeben – auch um mit der Geschichte endlich abschließen zu können. Seine Motive – das deutet sein Anwalt schon einmal an – seien auch keineswegs bloß materieller Natur gewesen. Die Verhandlung wird am 3. August fortgesetzt.

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1 Kommentar

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  • 0G
    04970 (Profil gelöscht)

    "Einer, Andreas G., trat anfangs als Geschäftspartner auf, zog sich dann allerdings zurück."

    "Eingestellt wird das Verfahren gegen Andreas G., den Aussteiger. Er muss eine Geldstrafe von 500 Euro zahlen."



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    Das dürfte nur ein Bruchteil dessen sein, was er durch seine verbrecherischen Aktivitäten eingenommen hat.



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    Die Gesellschaft hat ein Recht darauf, dass verbrecherische Staatsdiener vor Gericht genauso behandelt werden wie jeder andere Verbrecher - erst recht angesichts ihrer sehr viel besseren Vertuschungsmöglichkeiten.



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    Aber wen wundert es hierzulande noch, dass ein Gericht zwecks Arbeitserleichterung und aus Kumpanei unter Staatsdienern derartig handelt?