Proteste in der Ukraine: Jetzt droht der Notstand
Ukrainische Regierungsgegner besetzen das Justizministerium in Kiew. Oppositionsführer Vitali Klitschko will sie zum Gehen überreden.
KIEW dpa/afp | Regierungsgegner in der Ukraine haben am Sonntagabend das Justizministerium in Kiew besetzt. Mehrere dutzend Demonstranten warfen die Fenster im Erdgeschoss des Gebäudes im Zentrum der Hauptstadt ein und übernahmen die Kontrolle über das komplette Ministerium. Ein maskierter Demonstrant sagte, es seien nur drei Sicherheitsleute im Gebäude gewesen und hätten keinen Widerstand geleistet.
Alle vier Etagen seien von Demonstranten besetzt, sagte er. Die Mitarbeiter des Ministeriums könnten am Montag kommen und Dokumente holen – aber nicht ihrer Arbeit nachgehen. Unmittelbar nach der Besetzung des Ministeriums begannen die Demonstranten mit der Errichtung von Barrikaden. Dazu nutzten sie unter anderem Müllcontainer.
Oppositionspolitiker Vitali Klitschko forderte die Demonstranten zum Räumen des Gebäudes auf. „Sie wollen bleiben, aber ich werde versuchen sie vom Gegenteil zu überzeugen“, sagte er am Montag in Kiew. Es gelte, eine politische Lösung des Machtkampfs zu finden und Provokationen zu vermeiden, sagte der Ex-Boxchampion.
Auch Justizministerin Jelena Lukasch rief die radikalen Regierungsgegner zum Verlassen ihres Amtssitzes auf. Sie hoffe zwar auf eine friedliche Regelung. Sollten sich die Demonstranten aber nicht zurückziehen, werde sie die Lage mit dem Nationalen Sicherheitsrat besprechen, sagte Lukasch. Sie drohte, den Notstand zu verhängen.
„Ich sehe mich gezwungen, den Präsidenten der Ukraine zu bitten, die Gespräche zu unterbrechen, falls das Gebäude nicht unverzüglich geräumt wird, um es den Verhandlungsführern zu ermöglichen, eine friedliche Lösung des Konflikts zu finden“, sagte Lukasch am Montag dem Sender Inter. Sollten die Demonstranten nicht nachgeben, werde sie den Nationalen Sicherheitsrat auffordern, „darüber zu diskutieren, ob ein Notstand in diesem Land verhängt wird“.
Klitschko lehnt Angebot ab
Die Demonstranten in Kiew fordern den Rücktritt von Präsident Viktor Janukowitsch und vorgezogene Neuwahlen. Mehrere Gesprächsrunden zwischen Janukowitsch und der Opposition brachten zunächst keine Annäherung. Am Samstag bot der Staatschef den Oppositionsführern dann überraschend eine Machtteilung an: Arseni Jazenjuk sollte Ministerpräsident, Vitali Klitschko sein Stellvertreter werden.
Während sich Jazenjuk bisher nicht abschließend zu dem Angebot äußerte, legte sich Klitschko fest. Der Boxweltmeister sagte der Bild-Zeitung: „Ich kann mir nicht vorstellen, Vize-Premier unter diesem Präsidenten zu sein. Das wäre ein Verrat an unseren eigenen Leuten gewesen. Es führt kein Weg an Janukowitschs Rücktritt vorbei.“
Die Demonstrationen der Opposition weiteten sich zuletzt von Kiew auf die Provinzen aus. In zahlreichen Provinzen im proeuropäischen Westen des Landes werden inzwischen die Regionalverwaltungen von Regierungsgegnern blockiert. Die Proteste waren Ende November durch die überraschende Entscheidung der Regierung ausgelöst worden, ein über Jahre mit der Europäischen Union ausgehandeltes Assoziierungsabkommen nicht zu unterzeichnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“