Proteste in Südfrankreich: Schuhe nach Sarkozy geworfen
Demonstranten in Saint-Lô pfiffen Präsident Sarkozy aus und warfen Schuhe in seine Richtung. Weil er die Proteste nicht verhinderte, soll der Präfekt des Städtchens versetzt werden.
PARIS taz Für seine spektakulären Auftritte und Ankündigungen an weit voneinander entfernten Orten ist Nicolas Sarkozy bekannt. Der französische Staatspräsident regelt bei seinen Blitzbesuchen die Kulturpolitik (in Nîmes), löst die Probleme der Fischerei (in der Bretagne) und die der inneren Sicherheit (in Zentralfrankreich). Er kommt in einem Tross von JournalistInnen. Und ist, kaum angekommen, schon wieder weg. Die Abendnachrichten des Fernsehens berichten, was der Präsident gesagt hat, und zeigen wechselnde lokale Kulissen und StatistInnen. Darüber, was hinter den Kulissen passiert, erfährt das Publikum nichts.
Dabei brodelt es seit einigen Wochen bei den Sarkozy-Blitzreisen in die französische Provinz vor allem hinter den Kulissen. Statt der Bäder in der Menge, die sich der frühere Staatspräsident Jacques Chirac bei seinen Besuchen in der Provinz leistete, weicht sein Nachfolger Sarkozy der Menge zunehmend aus. Beziehungsweise lässt sich von ihr polizeilich abschirmen. Denn fast überall, wo er hinreist, gibt es Anti-Sarkozy-Demonstrationen.
In Saint-Lô, am Ärmelkanal, waren am 12. Januar vor allem LehrerInnen, SchülerInnen und RentnerInnen auf der Straße. Während Sarkozy in Saint-Lô, gut abgeschirmt von der Polizei, seine Neujahrsgrüße an die Beschäftigten des Unterrichtswesens übermittelte, schimpften DemonstrantInnen gegen die 40.000 Stellen, die er binnen drei Jahren an den Schulen streicht. Als sie in die Nähe des Präsidenten kamen, pfiffen die DemonstrantInnen so laut, dass er sie hören konnte. Einige warfen auch Schuhe in Richtung des Präsidenten.
Mehr als 3.000 Menschen waren anlässlich des Sarkozy-Besuches in Saint-Lô. Es war die größte Demonstration, die die kleine Stadt seit 20 Jahren erlebt hat. Der Staatspräsident war schon am Tag seines Besuches wütend über den scharfen Empfang. Zwei Wochen später hat er einen Sündenbock gefunden. Am Mittwoch sorgte der Präsident dafür, dass der Präfekt von Saint-Lô versetzt wird. Präfekt Jean Charbonniaud muss für die Anti-Sarkozy-Demonstration büßen. In der Stadt am Ärmelkanal kritisieren alle die präsidiale Rache. Selbst Bürgermeister François Digard, Mitglied der Präsidentenpartei UMP, hält die Reaktion für unangenmessen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden