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Proteste in SerbienFestnahmen und Verletzte

Am Samstagabend protestierten zehntausende Serbinnen und Serben erneut gegen die Regierung. Steine, Tränengas und Blendgranaten sorgten für Verletzte.

Protestromantik: Ein Bengalo und viele Smartphones erleuchten die Proteste in Belgrad Foto: Marko Drobnjakovic/AP/dpa

Belgrad afp | Bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden bei regierungskritischen Massenprotesten in Serbiens Hauptstadt Belgrad hat es Festnahmen und Verletzte gegeben. Polizeichef Dragan Vasiljević teilte mit, bei den Ausschreitungen am Samstag seien sechs Polizisten sowie zwei andere Menschen verletzt worden. Dutzende Demonstrierende wurden demnach festgenommen.

Laut Vasiljević hatten die Einsatzkräfte Schlagstöcke eingesetzt, nachdem sie von Protestteilnehmern angegriffen worden seien. „Chemische Mittel“ seien nicht zum Einsatz gekommen. Journalisten der Nachrichtenagentur AFP sahen, dass die Polizei Tränengas und Blendgranaten einsetzte, um die Menge auseinanderzutreiben. Beamte wurden mit Steinen beworfen, einige Protestteilnehmer hatten Rauchgranaten.

An der Demonstration in Belgrad hatten nach Schätzungen der Organisation Archiv öffentlicher Versammlungen etwa 140.000 Menschen teilgenommen. Die Polizei sprach von nur 36.000 Teilnehmern, laut den AFP-Reportern vor Ort und Luftbildern waren es aber deutlich mehr. Die Gewalt brach nach einem stundenlangen friedlichen Protest aus.

Die Protestierenden waren am Samstag aus dem ganzen Land nach Belgrad gereist: Viele hielten serbische Flaggen und Schilder mit den Namen ihrer Heimatorte hoch. Zu Beginn der Kundgebung sangen sie die Nationalhymne, für die Opfer eines Unglückes am Bahnhof von Novi Sad im vergangenen November wurde eine Schweigeminute abgehalten.

Protestwelle seit Unglück in Novi Sad

Serbien wird seit mehr als einem halben Jahr von der heftigsten Protestwelle seit den 1990er Jahren erschüttert. Auslöser war der Einsturz eines Bahnhofsvordachs in Novi Sad im November vergangenen Jahres, bei dem 16 Menschen ums Leben kamen.

Zunächst ging es um die Unglücksursache, später richteten sich die vor allem von Studierenden getragenen Kundgebungen gegen die Regierung und die weit verbreitete Korruption im Land. Inzwischen werden bei den Protesten Neuwahlen gefordert. An der bisher größten Demonstration hatten sich Mitte März rund 300.000 Menschen beteiligt.

Die Regierung steht wegen der Demonstrationen stark unter Druck. Die Studierenden, die die Proteste organisiert haben, stellten Präsident Aleksandar Vučić ein Ultimatum, bis Samstagabend um 21.00 Uhr Neuwahlen auszurufen. Vučić hatte die Forderung bereits am Freitag zurückgewiesen und erklärt, dass vor Ende 2026 nicht gewählt werde. Vučić bezeichnete die Proteste zudem erneut als vom Ausland gesteuert.

Ultimatum für Neuwahlen verstrichen

Die Organisatoren des Protests erklärten nach dem Auslaufen ihres Ultimatums, nun gebe es „grünes Licht“ für die Serben, „ihre Freiheit in selbst in die Hand zu nehmen“. Die Regierung habe „alle Zeit gehabt, um die Forderungen zu erfüllen und eine Eskalation zu verhindern“, hieß es in einer nach der Demonstration im Onlinedienst Instagram veröffentlichten Erklärung.

„Stattdessen haben sie Gewalt und Unterdrückung gewählt“, warfen die Protest-Organisatoren den serbischen Behörden vor. „Die Verantwortung für jede Radikalisierung der Lage liegt bei ihnen.“

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