Proteste in Russland: Herzen gegen die Repression
Am Valentinstag bilden Frauen in Moskau bei minus 20 Grad eine Menschenkette. Für den Kreml ist das ein „hybrider Krieg“ des Westens.
Sie haben rote Rosen mitgebracht, rote Luftballons in Form von Herzen – und ein weißes Band. Mehr als 300 Frauen stellen sich am Sonntag bei minus 20 Grad in die Moskauer Fußgängerzone, halten sich am Band fest und rufen: „Freiheit für die Politgefangenen“ oder „Liebe ist stärker als Angst“. Feministinnen hatten zu der Aktion aufgerufen, um Solidarität mit Julia Nawalnaja, der Frau des inhaftierten Kremlkritikers Alexei Nawalny, zu zeigen und an die Frauenproteste in Belarus zu erinnern.
Und sie wollen ihren Unmut über die Massenverhaftungen nach den jüngsten Protesten ausdrücken. Die Polizei lässt sie zunächst gewähren. Für Störungen sorgen die Männer von SERB, einer radikalen „Befreiungsbewegung“, wie sie sich selbst nennen. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Aktionen, die die Machtstrukturen kritisieren, zu torpedieren. Mitglieder der „Nationalen Befreiungsbewegung“ (NOD), einer ebenfalls radikalen Randgruppe, haben sich Helme mit der Aufschrift „Nato“ übergezogen und laufen mit Spielzeuggewehren an den Frauen entlang.
Währenddessen leuchten im fernen Osten des Landes Menschen mit ihren Smartphones in die Luft. Sie stellen Kerzen in Form von Herzen in den Schnee und filmen sich dabei. Es ist eine neue Form des Protests, zu dem das Team um Nawalny aufgerufen hatte, um dem brutalen Zugriff des Staates zu entgehen. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa nannte die Aktion im Vorfeld eine von der Nato instruierte, subversive Arbeit.
Das Staatsfernsehen widmete dem Vorhaben ganze Sendungen – und machte unfreiwillig Werbung dafür. Es werde ein „hybrider Krieg“ gegen Russland geführt, wetterte der Duma-Abgeordnete Pjotr Tolstoj. Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, im Kreml finde man das „Katz-und-Maus-Spiel“ „uninteressant“, drohte allerdings mit harten Konsequenzen.
Junge Menschen im Visier
Jegliche Form des Protests ist derzeit gefährlich im Land. Gerade junge Menschen nimmt der Staat ins Visier. Manchen Student*innen droht man mit dem Verlust des Wohnheim- oder Studienplatzes, sollten sie sich an der Aktion des Nawalny-Teams beteiligen. Man solle am Valentinstag lieber den Polizisten Blumen schenken, hieß es bei der Innenbehörde.
Präsident Wladimir Putin wiederholte im Staatsfernsehen seine abschätzige Haltung zu den Protesten. Dabei sprach er den Teilnehmer*innen jegliche Selbstbestimmung ab. Der Westen wolle Russland, das so viel besser dastehe in der Welt, in die Knie zwingen und nutze jede Chance, das Volk gegen Russland einzusetzen. „Ganz offensichtlich ist das so, ich weiß das“, sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist