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Proteste in PortugalTausende gegen Sparmaßnahmen

Lohnkürzungen im Öffentlichen Dienst, Rentenkürzungen und Einschnitte im Gesundheits- und Bildungswesen – die Troika war mal wieder in Portugal. Der Protest folgt sofort.

Kampf gegen die Troika: Gewerkschafter in Lissabon. Bild: reuters

LISSABON afp | In Portugal sind am Donnerstagabend abermals tausende Menschen gegen die von den internationalen Geldgebern erzwungenen Sparmaßnahmen auf die Straßen gegangen. Alleine in Lissabon zogen etwa 2000 Demonstranten zur Residenz von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho, wie portugiesische Medien berichteten. Der Gewerkschaftsverband CGTP hatte zu den Kundgebungen aufgerufen.

Anlass ist der jüngste Besuch der sogenannten Troika von Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF). Deren Experten sind seit einer Woche wieder in Lissabon, um die Reform- und Konsolidierungsfortschritte zu überprüfen.

Die Gewerkschaften kämpfen insbesondere gegen Lohnkürzungen im Öffentlichen Dienst, Rentenkürzungen und Einschnitte im Gesundheits- und Bildungswesen. „Alles, was die Regierung und die Troika den jungen Leuten anbieten, ist die Auswanderung“, sagte die Demonstrantin Teresa Inacio, die vor fünf Monaten ihren Job in der Tourismusbranche verlor.

Portugal hängt seit fast drei Jahren am Tropf der Europartner und des IWF, um nicht in die Pleite zu rutschen. Die im Gegenzug für die Notkredite umgesetzten Sparmaßnahmen hatten zunächst zu einer Verschärfung der Rezession beigetragen, die Arbeitslosigkeit hat ein Rekordniveau erreicht. Allerdings ist die Wirtschaft inzwischen auf den Wachstumspfad zurückgekehrt.

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5 Kommentare

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  • K
    knattertom

    "Die im Gegenzug für die Notkredite umgesetzten Sparmaßnahmen hatten zunächst zu einer Verschärfung der Rezession beigetragen, die Arbeitslosigkeit hat ein Rekordniveau erreicht. Allerdings ist die Wirtschaft inzwischen auf den Wachstumspfad zurückgekehrt."

     

    Das klingt so, als stünde Portugal kurz vor dem gleichen "Jobwunder" wie D-schland......, das Wirtschaftwachstum und die Entstehung von "vollzeit" Arbeitsplätzen sich inzwiscen komplett voneinander abgekoppelt haben, sollte sich auch bei der TAZ herumgesprochen haben.

  • K
    Kaboom

    Der "Wachstumspfad" Portugals wird exakt an dem Tag enden, an dem die Europawahl ist

  • Das ist falsch: “Allerdings ist die Wirtschaft inzwischen auf den Wachstumspfad zurückgekehrt.”

     

    Das ist nicht der Fall. Die Wirtschaft Portugals ist nominal 2012 um -3,2% und 2013 um -1,6% zurück gegangen. Die Austeritätsmaßnahmen sind eine Vollpleite, objektiv gemessen.

     

    Daran ändern auch ständige Jubelarien nichts. Die Schätzung, das Wirtschaftswachstum Portugals könnte 2014 um 0,8% steigen, ist mehr als optimistisch geraten. Aber das wäre ja sowieso nur der Nominalwert – berücksichtigt man die Inflation, so wird auch nach solchen optimistischen Schätzungen die Wirtschaft Portugals 2014 real schrumpfen und nicht wachsen.

     

    Die TAZ fällt hier auf Propaganda herein, statt die Zahlen zu recherchieren. Die genannten Zahlen stammen hiervon:

     

    http://wko.at/statistik/eu/europa-wirtschaftswachstum.pdf

     

    Kurz: Austeritätspolitik funktioniert nicht, auch nicht in Portugal.

  • Auch wäre es sinnvoll, die verschiedenen Ansätze, die es heute schon im Kleinen gibt, zu bündeln und offensiver in die Debatte einzubringen und Fakten zu schaffen. In Griechenland gibt es, im Moment aus der Not heraus geschaffen, selbstverwaltete Gesundheitskliniken. Und natürlich völlig unbeachtet von den bürgerlichen Medien fand vor kurzem in Marseille das erste europäische Treffen der selbstverwalteten Betriebe statt.

     

    Die damit aufgeworfene Frage nach der Demokratisierung der Wirtschaft wird leider viel zu wenig diskutiert. Den Kritikern wird gerne "utopisches" Denken vorgeworfen, aber schaut euch doch mal die selbstverwalteten Betriebe an, das ist keine Utopie, das ist gelebte und praktizierte Transformation des Status-quo. Es braucht eine soziale Bewegung, die nicht nur ihren Unmut über Austerität und deren elende Folgen ausdrückt, sondern das kapitalistische Ganze fundamental kritisiert und in der gelebten Praxis bereits aufhebt - und somit wieder einen Gegenpol zum angeblich "alternativlosen" Kapitalismus schafft.

  • Diese Proteste tun leider der Troika und dem IMF überhaupt nicht weh! Langsam sollte man sich neue Protestformen überlegen und es fehlt außerdem eine politische Agenda, die man dem Austeritätsdiktat bzw. dem Kapitalismus als solchem entgegenhalten kann.

     

    Früher war die UdSSR und noch mehr die Stärke der Arbeiterbewegung ein gewisser Garant dafür, dass es eine soziale Absicherung gab. Diese fällt immer mehr weg, auch weil es keinen Gegenpol mehr gibt. Aber anstatt neue Antworten zu suchen, beziehen sich viele Gewerkschaften und Kritiker nur auf die "guten alten Zeiten", die 70er Jahre, als es noch einen Wohlfahrtsstaat gegeben hat.

     

    Vielleicht wäre es aber sinnvoller, gerade jetzt völlig neue Ansätze zu suchen. Dazu gehört für mich auch eine radikale Kritik an der Arbeit, deren Verteidigung im Kapitalismus schon fast religiöse Züge annimmt und gerade von Kritikern oft viel zu positiv besetzt wird. Je weniger Arbeit es gesellschaftlich gibt, umso extremer wird der Zwang zur Arbeit von den Kapitalismusfreaks verteidigt. [Fortsetzung folgt]