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Proteste in MoskauPutins bizarre Parallelwelt

Kommentar von Barbara Oertel

Mit keinem Wort erwähnt der Chef im Kreml Nawalny oder die Ukraine. Dabei zeichnet sich Putins nächster Akt schon ab. Und Europa schaut zu.

Während Putin seine Rede hält, fordern Tausende „Freiheit für Nawalny“, Moskau, 21. April Foto: Maxim Shemetov/reuters

S ie ist schon bizarr, die Parallelwelt des Wladimir Putin. In seiner Rede an die Nation, mit der Russlands Präsident alljährlich seine Untertanen beglückt, verlor er erwartungsgemäß kein Wort über den inhaftierten Kremlkritiker Alexei Nawalny. Gleichzeitig schaffen es seine Un­ter­stüt­ze­r*in­nen landesweit wieder Tausende zu Protesten auf die Straße zu bringen. Das straft all jene Lügen, die „die Bewegung“ bereits tot gesagt hatten.

Denn es geht eben nicht nur um „Freiheit für Nawalny“, dessen Leben nach einem mehrwöchigen Hungerstreik am seidenen Faden hängt, sondern um demokratische Rechte für alle Russ*innen. Dass diese Erkenntnis mittlerweile auch den Kreml erreicht hat, zeigt das brutale Vorgehen gegen die De­mons­tran­t*in­nen: Über tausend Festnahmen, und das vielfach schon, bevor die Kundgebungen überhaupt begonnen hatten.

Selbst an Schü­le­r*in­nen vergreift sich die Staatsmacht, die unter dem Vorwurf des Extremismus einfach eingesammelt werden. Mindestens genauso aufschlussreich waren die Botschaften, die der Kremlchef an das Ausland richtete. Die Warnung vor gleichwertigen und harten Reaktionen, sollte eine „rote Linie“ überschritten werden, ist eine unverhohlene, durchaus ernst zu nehmende Drohung.

Dabei ist das genau das, was Russland selbst dieser Tage mit einem massiven Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine vorführt. Und es ist beileibe kein Zufall, dass Putin ein angeblich vereiteltes Attentat auf den belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko ins Feld führt. Das könnte bereits die schrille Begleitmusik zu dem Treffen der beiden Staatschefs an diesem Donnerstag in Moskau sein.

Denn das gesellige Beisammensein könnte mit einer freundlichen Einladung Moskaus an Lukaschenko enden, den Nachbarn einzugemeinden. Ohnehin ist Lukaschenko schon längst nur noch ein Herrscher von Putins Gnaden, der dem Kreml wie eine reife Frucht geradewegs in den Schoß fällt.

Sollte es tatsächlich so kommen, wäre für die Be­la­rus­s*in­nen wohl endgültig eine „rote Linie“ überschritten. Und dann? Zumindest vom Westen hätten die Menschen in Belarus in diesem Fall wohl kaum Unterstützung zu erwarten, von den üblichen Solidaritätsadressen einmal abgesehen. Das ist, vor allem für Europa, ein echtes Armutszeugnis.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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8 Kommentare

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  • Da zeigt sich doch die Wirkung der Sanktionen, der politisch und kulturelle Isolation Russlands, die Abwesenheit von Dialog!



    Russland interpretiert die Faktenlage im Lichte eigener Moral und Vernunft, als im Interesse eigener Existenzinteressen.



    Das stösst auf Ablehnung in der westlichen



    Interpretation der Faktenlage!



    Leider ist die Möglichkeit friedlichen Dialogs für gesunde Koexistenz, Handel und kulturelle Berührung...



    zwischen EU, NATO und Russland... (auch in Respekt des Chaos um die Ukraine)..



    .. durch die Absage gegen Politik im Sinne des "Wandel durch Annäherung"



    sehr erschwert.



    Was da im Moment läuft, ist gefährlich!



    Keiner will Krieg. Wie kann so die herrschende Rhetorik des antiquierten Clausewitz:



    'Krieg als Fortsetzung der Diplomatie(?)'



    überwunden werden?

    • @vergessene Liebe:

      wie soll die Koexistenz mit einem Regime auf Dauer funktionieren, das gut davon lebt, alle wichtigen Wirtschaftszweige zu monopolisieren. Das geht auf Kosten der Bevölkerung, des Fortschritts.



      Was haben wir uns gefreut, als die Diktatur im Osten überwunden war. Und jetzt kommt sie wieder und mit ihm das Bedauern für diejenigen welcher der Repression und Verfolgung nicht entkommen können.

  • Und dann stärkt auch noch little Kretschmer aus dem Land mit den meisten AfDlern Putin durch angekündigte Käufe eines nicht zugelassenen Impfstoffes den Rücken zum Militäraufmarsch nahe der Ukraine. Dümmer geht nimmer, imSchlepptau des verhinderten KK aus By.

  • Da fällt einem einiges ein. Ja, NS2 ist ganz oben. Hat bei den Deutschen wieder mal die Gier gesiegt.

    Aber auch etwas mehr Vorsicht mit den Kreml-freundlichen Oligarchen [1]. Weniger "informelle" Beziehungen, mehr Pochen auf Klarheit.

    Auch die goldenen EU-Visa, Zypern und Malta bei den Russen besonders beliebt.

    Da geht einiges, das politisch eher ungewollt ist.

    [1] ein Beispiel unter vielen: taz.de/Russischer-...tschland/!5762143/



    Ein anderes: worüber ist Pfeiffer noch mal vor kurzem gestolpert?

    • @tomás zerolo:

      Wir stellen den Oligarchen den Tresor zur Verfügung, damit diese ihre Beute in Sicherheit bringen können. Was hat das russische Volk davon?



      Das ist ja die Perversion: je besser es den Gauner geht die diesen Staat beherrschen, desto schlechter geht es dem Volk. Statt uns zu überlegen, was dem Volk hilft, stellen wir den Oligarchen hier im Westen die von Ihnen benötigten Geldwaschanlagen zur Verfügung.

  • Hmm, schlagen Sie mal bitte Ihre Ideallösung vor, was EU und USA dann machen sollten.



    Noch härtere Sanktionen gegen Russland? Militärische Nadelstiche gegen Russland (wohl kaum)? NS2 beenden (unrealistisch)?



    Es ist sehr schwierig, wenn der russische Bär militärisch nicht nur alles kann - sondern auch zu allem bereit wäre ....



    Ich weiß es auch nicht!

    • @Harald Hansen:

      am besten schlicht und einfach nichts!fast alles was sie bisher gemacht haben war ja falsch und im hinblick auf frieden sicherheit und stabilität kontraproduktiv.

      von militärischen nadelstichen gegen russland und seine verbündeten oder auch von waffenlieferungen an seine und deren feinde ist dringend abzuraten.von verbalradikalen provokationen auch-obwohl die selbstverständlich verzeihlicher sind und leichter ignoriert werden können:

      vielleicht könnte man Wladimir Putin -der ja gerne so tut als wäre er ein frommer orthodoxer christ aber eine russische übersetzung der bergpredigt schenken in der bestimmte passagen blutrot unterstrichen sind .ein aufruf sich zu westlichen werten zu bekehren wird garantiert seinen zweck verfehlen-an die glaubt in russland nur eine kleine minderheit und im übrigen sind sie ja sowieso sehr fragwürdig und durch die lange kriminalgeschichte des westlichen imperialismus hoffnungslos und unrettbar diskreditiert .aber sich auf universelle christliche und humanistische werte zu beziehen könnte funktionieren-aber auch nur wenn der westen von seinen aggressionen und provokationen ablässt und vom hohen ross seiner vermeintlichen moralischen überlegenheit herabsteigt

      auf dem teufel der hybris sind schon viele zivilisationen in den abgrund geritten



      wer den weltfrieden nicht weiter gefährden und neue bürgerkriege und stellvertreterkriege oder die fortsetzung bereits begonnener vermeiden will muss der westlichen zivilisation eben diesen diesen teufel der hybris austreiben

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    In der Wortwahl hatte er Anleihen von obama das heißt dann wohl es geht zwischen den Fronten um Syrien optimistisch gesehen könnte eine Einigung herbeigeführt werden und gleichzeitig mal wieder satt die Rüstungsindustrie bedient werden