Proteste in Jordanien: Ölpreis heizt Proteste an

In Jordanien haben in den letzten zwei Wochen hunderte Menschen gegen höhere Ölpreise protestiert. Bei einer Razzia starben mehrere Polizisten.

Menschen tragen einen Sarg

Beerdigung eines ­Polizisten, der am 15. Dezember bei Aus­schreitungen in Maan getötet wurde Foto: afp/getty images

BREMEN taz | Es begann mit Sit-ins und Streiks im südlichen Teil des Landes. Die Proteste, die mehr als zwei Wochen lang Jordanien erschüttert haben, nahmen ihren Lauf in der Stadt Maan und der südlichen Region rund um den Hafen von Aqaba. Meistens waren es Lastkraftwagenfahrer, die die Arbeit niederlegten, um gegen die jüngsten Erhöhungen der Spritpreise zu protestieren.

Dann verbreiteten sich jedoch die Demonstrationen wie ein Lauffeuer quer durch das Land: Menschen gingen etwa in den nördlich gelegenen Städten Irbid und Jerash, in der Hauptstadt Amman und den benachbarten Städten Zarqa und Madaba auf die Straße.

Sie blockierten Hauptverkehrswege, solidarisierten sich mit den Fahrern, kritisierten zusätzlich zum Sprit auch die gestiegenen Heizölpreise und Lebenskosten. Sie skandierten Slogans gegen die Regierung und marschierten durch die Viertel. Ladenbesitzer schlossen ihre Geschäfte, Bus- und Taxifahrer streikten ebenfalls. Manchmal blieben die Proteste friedlich, manchmal gab es Ausschreitungen.

Videos in sozialen Netzwerken zeigen Menschen, die zwischen brennenden Autoreifen und umgekippten Mülltonnen mit Steinen werfen, sowie Streitkräfte in Militäranzügen, die Tränengas in die Luft schießen.

Kein Comeback von Extremisten

Am vergangenen Donnerstag ist ein Polizist „bei Unruhen“ in der Nähe von Maan ums Leben gekommen, wie die jordanische Sicherheitsbehörde mitteilte. Bei einer Razzia wenige Tage später wurden dann drei weitere Beamte erschossen.

Ein Verdächtiger, der nach Angaben der Sicherheitsdienste den ersten Polizisten getötet haben soll, wurde ebenfalls erschossen. Er habe eine radikal-ex­tremistische religiöse Ideologie vertreten. Neun weitere Menschen, die meisten Familienmitglieder, befinden sich seit der Razzia in Haft. Die Polizei hat zudem mehrere Waffen beschlagnahmt.

Amer al-Sabaileh, Politik- und Terrorismusexperte

„Es gibt momentan keine Signale eines tatsächlichen Terrorrisikos.“

Noch laufen die Ermittlungen. Allerdings betonen mehrere Experten, die Tötungen und die Proteste seien getrennt zu betrachten. „Die sind nicht unbedingt miteinander verbunden“, sagt etwa Edmund Ratka, Leiter des jordanischen Auslandsbüros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. „Das ist auch nicht Teil der jordanischen Protesttradition.“ Wahrscheinlicher sei, dass terroristische Zellen die Unruhen ausgenutzt hätten, um gegen die Polizei vorzugehen oder die Lage eskalieren zu lassen.

Jordanien ist ein muslimisches Land auf der Arabischen Halbinsel, das an Saudi-Arabien im Süden und an Syrien im Norden grenzt. In den vergangenen Jahrzehnten gab es einige extremistische Anschläge, das Land gilt aber als eines der sichersten in der Region. „Es gibt momentan keine Signale eines tatsächlichen Terrorrisikos“, bestätigt der jordanische Politik- und Terrorismusexperte Amer al-Sabaileh, obwohl es in der Region – etwa im Südsyrien – Hinweise auf ein Comeback extremistischer Gruppen gebe.

Die Polizei hat angekündigt, gegen gewalttätige Demonstranten hart vorzugehen. Sie nahm mehr als 40 Menschen fest. Das Videoportal Tiktok war im Land zeitweise nicht mehr erreichbar, aus einigen Städten kamen Meldungen von gedrosselten Internetverbindungen.

Men­schen­recht­le­r*in­nen zeigten sich teilweise besorgt über mögliche Einschränkungen. „Die zivilen Freiheiten hatten schon vor den Protesten abgenommen“, erklärt Oraib al-Rantawi, Direktor des Thinktanks Al-Quds Center for Political Studies. „Ich denke, dass sich die Lage nach den Protesten verschlimmern könnte.“ Sicherheitsbehörden und Regierungsvertreter haben ihrerseits erklärt, die Meinungsfreiheit der Demonstranten zu respektieren.

In den letzten Jahren gab es immer wieder kleinere Proteste in Jordanien. Oft ging es dabei um fehlende Reformen, Korruption oder Armut. Der aktuelle Anlass, die steigenden Heizölkosten, reihen sich da ein: Das trifft besonders arme Familien im Winter. Die Treibstoffkosten haben sich im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. Unter anderem liegt das an den hohen Steuern. Für die Bürger hat die Regierung Hilfsmaßnahmen angekündigt, gleichzeitig aber signalisiert, sie habe gerade wenig Spielraum für Maßnahmen, um die Preise zu senken.

Es ist also kein Zufall, dass die Proteste in den ärmeren Regionen und Stadtteilen am stärksten waren. Welche Folgen sie haben, bleibt noch abzuwarten. „Es ist aber nicht davon auszugehen, dass die Proteste einen großen Regimewandel herbeiführen werden“, schätzt es Nahostexperte Ratka ein. „Es ist keine revolutionäre Stimmung im Land zu beobachten.“

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