Proteste in Großbritannien: Sparprogramm bringt Studenten in Rage
Sie wollten gegen die Erhöhung der Studiengebühren protestieren und fanden sich zur bisher größten Demonstration gegen die neue Regierung zusammen. Dann eskalierte die Situation.
DUBLIN taz | Es bleibe dabei, sagte der britische Premierminister David Cameron gestern: Die Studiengebühren werden drastisch erhöht. "Selbst wenn wir es wollten", sagte er in Seoul, wo er am G-20-Gipfel teilnimmt, "so dürfen wir nicht auf die Idee zurückfallen, dass die Universität kostenlos ist." Das ist sie keineswegs. Die Labour-Regierung hat Studiengebühren in Höhe von 3.000 Pfund im Jahr eingeführt, die Koalition aus Tories und Liberalen Demokraten will sie ab 2012 verdoppeln, unter bestimmten Umständen sogar verdreifachen.
Dagegen protestierten am Mittwoch mehr als 50.000 Studenten in London. Es war die größte Demonstration seit Camerons Amtsantritt im Mai. Mehrere hundert Demonstranten stürmten die Tory-Parteizentrale und demolierten sie. Einige zündeten vor dem Gebäude ein Feuer an, andere drangen aufs Dach vor und entrollten Transparente. Eine Sondereinheit der Polizei ging mit Schlagstöcken gegen die Studenten vor und verhaftete 51 von ihnen. Acht Menschen wurden verletzt.
Der Vorsitzende der nationalen Studentenvereinigung NUS, Aaron Porter, verurteilte die Gewalt zwar, kündigte aber weitere Proteste an. So will man diejenigen liberaldemokratischen Abgeordneten, die im Dezember für die Erhöhung der Studiengebühren stimmen, mit Hilfe eines angekündigten Gesetzes abwählen. Demnach sollen Neuwahlen anberaumt werden, wenn 10 Prozent der Wähler eines Wahlkreises ihrem Abgeordneten das Misstrauen aussprechen. Das erste Opfer soll der Liberalenchef Nick Clegg in Sheffield werden. Noch im Wahlkampf hatte Clegg kategorisch erklärt, dass eine Erhöhung der Studiengebühren nicht infrage komme. Nun ist er Vizepremierminister und sieht die Sache anders. Er hätte damals vorsichtiger sein müssen, sagte er gestern kleinlaut: "Es ist Teil der Kompromisse dieser Koalitionsregierung, dass ich mein Versprechen gebrochen habe. In der Politik wie auch im Leben kann man manchmal nicht die Dinge tun, die man gern tun möchte." Clegg sagte gestern den für nächste Woche geplanten Besuch bei der Studentenvereinigung in Oxford vorsichtshalber ab. Es gebe eine Überschneidung von Terminen, erklärte er.
Neben der Erhöhung der Studiengebühren wird der Staatszuschuss für Universitäten um rund 80 Prozent gekürzt, obwohl er bereits jetzt mit 0,9 Prozent des Budgets weit unter dem Durchschnitt der westlichen Welt liegt. Die Universitätsreform ist Teil des drastischen Pakets, mit dem in vier Jahren 81 Milliarden Pfund eingespart werden sollen. Auf die Frage, ob er befürchte, dass der Studentenprotest der Auftakt für weitere Unruhen gewesen sei, wie sie unter Margaret Thacher in den 80er Jahren üblich waren, sagte Cameron: "Nein, das sehe ich nicht so. Es gab unter allen Regierungen Proteste."
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