Proteste in Algerien: Präsident Bouteflika fliegt
Ein Ausstand legt weite Teile Algeriens lahm. Überraschend lobt die Regierung die Protestbewegung. Und Bouteflika kehrt nach Algerien zurück.
In seinem Heimatland hat ein Generalstreik am Sonntag unterdessen weite Teile des Landes lahmgelegt. Zahlreiche Geschäfte blieben geschlossen. Auch MitarbeiterInnen von Unternehmen legten aus Protest gegen eine weitere Kandidatur Bouteflikas ihre Arbeit nieder. Der Sonntag ist in Algerien ein Werktag.
Vor allem in der Berberregion Kabylei östlich von Algier stießen die Streikaufrufe auf Resonanz. Aber auch in der Hauptstadt ruhte der öffentliche Nahverkehr. In Algier und zahlreichen anderen Städten des Landes wurde zudem erneut demonstriert.
Zuvor hatte das Hochschulministerium am Samstag den Beginn der Semesterferien auf den gestrigen Sonntag vorgezogen. Offenbar hofft die Regierung, damit den Protesten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie werden zu einem erheblichen Teil von StudentInnen getragen.
Nur wenige Stunden später riefen jedoch Studentenverbände dazu auf, am Sonntag vor den Sitz des Hochschulministeriums in Algier zu ziehen und Universitäten und Studentenheime zu besetzen. Schon am frühen Sonntagmorgen versammelten sich landesweit junge Menschen in den Städten und skandierten Parolen gegen Bouteflika und sein angezähltes Regime.
Erstmals Gewalt bei Zusammenstößen
Seit Mitte Februar kommt es in Algerien zu Massendemonstrationen. Auslöser war die Ankündigung des 82-jährigen Bouteflika, bei der für den 18. April geplanten Präsidentschaftswahl für eine fünfte Amtszeit zu kandidieren. Am Freitag waren landesweit mehrere Millionen Menschen durch die Straßen gezogen.
Im Stadtzentrum von Algier kam es erstmals zu ernsthafteren Zusammenstößen zwischen Polizei und protestierenden Jugendlichen, bei denen nach Polizeiangaben fast 200 Menschen verhaftet und 112 Beamte verletzt wurden.
In anderen Landesteilen blieben die Proteste friedlich. In der Küstenstadt Annaba im Osten des Landes zogen mehrere zehntausend Menschen lautstark und von den Sicherheitskräften unbehelligt durch die Innenstadt.
Übernimmt jetzt Bensaleh?
Die Regierungspartei Nationale Befreiungsfront (FLN) brach am Sonntag ihr Schweigen und erklärte sich für die Überwindung der Krise zur Zusammenarbeit mit allen Parteien bereit. Sie lobte die Protestbewegung sogar als Quelle nationalen Stolzes, was als Bereitschaft zu Konzessionen gedeutet werden kann. Unterdessen fordern immer mehr Oppositionskräfte, die Wahl zu verschieben und eine Übergangsphase einzuleiten.
Bis Donnerstag muss der Verfassungsrat entscheiden, welche Kandidaten er für die Wahl zulässt. Eine mögliche und für die hinter Bouteflika stehenden Eliten halbwegs gesichtswahrende Lösung wäre, dass der Rat Bouteflikas Bewerbung ablehnt.
Sollten die anderen Kandidaten anschließend ihre Bewerbung zurückziehen, wäre der Weg frei für einen sanften Neustart. Denn sobald Bouteflikas jetzige Amtszeit Ende April offiziell endet, würde der Präsident des Oberhauses des algerischen Parlaments, Abdelkader Bensaleh, als Interimspräsident die Staatsführung übernehmen. Er müsste dann Neuwahlen ansetzen. Ein direktes Eingreifen der Armee wäre mit dieser Lösung vorerst abgewendet.
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