Protestaktion am Kanzleramt: Schillernde Wut
Eine anonyme Gruppe projiziert nachts das Wort "Entnazifizieren" auf das Kanzleramt und das Innenministerium.
Erst war es nur ein greller Lichtpunkt, der auf das Kanzleramt in Mitte zielte. Dann, etwas später, irrlichterte auf dessen Fassade am späten Mittwochabend ein farbig schillernder Schriftzug: "Entnazifizieren" lautete das Wort, das der Laser dort mehrere Minuten lang an die Wand beamte. Da um diese späte Stunde kaum jemand im Regierungsviertel unterwegs war, dürfte die Botschaft zwar nur Wenigen aufgefallen sein. Allerdings war eine Stunde zuvor der gleiche Schriftzug schon einmal für ein paar Minuten an der Uferbrüstung vor dem Innenministerium in Moabit zu lesen gewesen. Aus einem Auto heraus hatten Aktivisten die Botschaft dort an die Wand projiziert.
"Aktion Entnazifizieren" nennt sich die Gruppe von zehn, fünfzehn Leuten, die dieses Kunstprojekt vorbereitet hatte. "Wir wollen damit nicht sagen, dass an diesen Stellen Alt- oder Neonazis sitzen", erklärt eine der jungen Frauen, die zu dieser Gruppe gehört, nach der nächtlichen Guerilla-Aktion in einer Hotelbar am Hauptbahnhof. "Wir finden nur, dass das Kanzleramt und das Innenministerium Verantwortung dafür tragen, dass das Land von diesem Ungeist befreit wird".
Nach der Mordserie der Neonazi-Zelle aus Zwickau ist sie außerdem überzeugt: "In den staatlichen Institutionen läuft etwas grundlegend falsch." Darauf wolle man mit der plakativen Aktion aufmerksam machen. Bewusst knüpft die Gruppe dabei an das historische Wort der "Entnazifizierung" an, wie nach dem Zweiten Weltkrieg die Überprüfung der Deutschen durch die Alliierten genannt wurde - ein Prozess, den die Aktivisten nicht als abgeschlossen betrachten.
Die Gruppe zieht es vor, dass ihre Mitglieder anonym bleiben. Sie eint die Überzeugung, dass herkömmliche Protestformen wie Demonstrationen und Lichterketten nicht genügen, um auf ein Anliegen aufmerksam zu machen. Allerdings wollte an diesem Abend mit der Umsetzung nicht alles so recht klappen. Mal versagte der Laptop, sodass sich die Aktion in die Länge zog, ein anderes Mal war in der Umgebung zu viel Polizei unterwegs, um die Aktion in Ruhe auszuführen.
Aus diesem Grund verzichtete man am Ende darauf, den Laser auch vor der Ausländerbehörde auszupacken. Aber die Gruppe will weitermachen und plant andere Aktionen: Ein offener Brief etwa, der schon mehr als 100 Unterzeichner haben soll, wird bald veröffentlicht. Möglich sei das nächste Mal aber auch ein Flashmob an einem öffentlichen Platz.
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