Protest in Moskau: Demo gegen die Niederträchtigkeit
Zehntausende haben in Russland gegen das Anti-Adoptions-Gesetz protestiert. Die Nationalisten blieben den Demonstrationen fern.
MOSKAU taz | Mehrere zehntausend Menschen hatten sich am Sonntag in Moskau zu einem „Marsch gegen die Niederträchtigen“ versammelt, um gegen das Gesetz zu protestieren, das unter anderem die Adoption russischer Waisen durch Bürger der USA verbietet.
Außerdem forderten sie die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. Auch in Tomsk, St. Petersburg, Jaroslawl und anderen Städten hatten sich Tausende an ähnlichen Protestmärschen beteiligt.
Während die Polizei von knapp 10.000 Teilnehmern sprach, waren nach Angaben der Veranstalter 50.000 Menschen auf die Straße gegangen. 46 Metalldetektoren hat die Polizei aufgestellt, durch die sich die Teilnehmer zwängen und ihre Taschen öffnen mussten.
„Ich war schon lange nicht mehr auf einer Demonstration“, sagt eine Rentnerin. „Ich bin nicht damit einverstanden, dass auf dem Rücken von Waisenkindern ein Konflikt mit den USA ausgetragen wird.“ Eine andere Teilnehmerin meint: „Putin ist wie Herodes, der das Leben von kleinen Kindern aufs Spiel setzt, nur um an der Macht zu bleiben.“
„Putin ist wie Herodes“
Der Ärger der Demonstranten richtet sich nicht nur gegen das Gesetz, das die Adoption russischer Kinder durch US-Bürger verbietet. Im Eiltempo hatte die Duma gegen Ende des Jahres zahlreiche Gesetze durchgepeitscht, die die Freiheiten im Land weiter einschränken.
Die Demonstranten sprechen den Abgeordneten die Legitimität ab. Dass sogar Regierungschef Dmitri Medwedjew den Chef der Zentralen Wahlkommission, Wladimir Tschurow, als „Zauberer“ bezeichnet habe, zeige, so der Rentner Jewgenij, dass sich die Macht nicht einmal mehr den Anschein geben will, im Dezember 2011 faire Parlamentswahlen durchgeführt zu haben.
Zahlreiche bekannte Politiker wie, Sergej Udalzow, Gennadij Gudkow, Boris Nemzow, und Menschenrechtler, wie Arsenij Roginskij und Swetlana Gannuschkina, waren mit dabei. Doch manches bekannte Gesicht fehlte, unter ihnen auch der linksnationale Politiker Eduard Limonow. Russland dürfe seine Kinder nicht an Ausländer geben, schrieb er jüngst in seinem Blog. Auch andere nationalistische Gruppierungen blieben dem Protestzug fern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut