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Protest gegen Zwangsräumungen in BerlinFrüh auf die Straße

Ein Bündnis mobilisiert zur Protesten in Kreuzberg am Montag und Dienstag. Insgesamt finden jedes Jahr wohl mehr als 3.000 Zwangsräumungen statt.

Wie viele kommen am Montag und Dienstag zum Protest? Foto: dpa

Berlin taz | Für MietaktivistInnen beginnen heißt es am Montag und Dienstag: früh aufstehen. Für beide Tage ruft das Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ zu Protesten in Kreuzberg auf. Die Kundgebungen sollen jeweils um 8 Uhr beginnen.

Am Montag morgen soll vor dem Haus Mehringdamm 67 protestiert werden. Dort soll laut den Angaben der Initiative ein Mieter zwangsgeräumt werden, nachdem er seine Miete gemindert hatte: In seiner Wohnung seien erhebliche Mängel aufgetreten, die nach seinen Angaben trotzt mehrmaliger Aufforderung vom Eigentümer nicht beseitigt wurden. Vor Gericht verlor der Mieterjedoch; es sah hierin einen Kündigungsgrund.

Der Eigentümer hatte das Gebäude 2018 bei einer Versteigerung erworben. Seitdem wehren sich die MieterInnen gegen eine Vertreibung und wollten das bezirkliche Vorverkaufsrecht wahrnehmen. Das wurde auch vom grünen Baustadtrat des Bezirks, Florian Schmidt, geprüft. Doch wegen der hohen finanziellen Belastungen kam der Vorverkauf schließlich nicht zustande.

Der neue Eigentümer Samuel Czarny ist in der Berliner Immobilienwirtschaft kein Unbekannter. Der Geschäftspartner der Firma Nicolas Berggruen Immobilien GmbH hat mit seiner „Czarny & Schiff Taborstraße 4 GbR“ für Unmut bei den dortigen MieterInnen gesorgt. In einen Offenen Brief beschwerten sich die BewohnerInnen des Hauses über das „aggressive Verhalten“ des Eigentümers, wie die Zeitschrift Mieterecho im Juli 2017 berichtete.

Streit in Genossenschaft eskalierte

Ganz anders gelagert ist die Zwangsräumung in der Adalbertstraße 22. Dort hat sich der Gerichtsvollzieher am Dienstagmorgen angekündigt, um einen langjährigen Mieter zu räumen. Er hatte sich mit einer Genossenschaft, der das Haus seit Jahrzehnten gehört, zerstritten. Der Konflikt eskalierte. Zunächst wurde der Mieter aus der Genossenschaft ausgeschlossen und dann gekündigt. In den letzten Monaten hatten MieterInneninitiativen auf mehreren Kundgebungen vor dem Haus vergeblich die Aussetzung der Räumung und einen Dialog unter den BewohnerInnen gefordert.

David Schuster vom Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ weist im Gespräch mit der taz darauf hin, dass die zwei Zwangsräumungen nur die Spitze eines Eisbergs sind. Schließlich gäbe es jährlich allein in Berlin über 3.000 Räumungen. Die meisten MieterInnen wehren sich nicht und daher werden die Räumungen nicht öffentlich. „Wir können nur zu Protesten aufrufen, wenn die betroffenen MieterInnen zu uns kommen und um Unterstützung bitten“, so Schuster. Neben den Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ unterstützen weitere Initiativen wie die Berliner MieterInnengewerkschaft die Proteste.

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2 Kommentare

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  • Zu einer Zwangsräumung kommt es üblicherweise erst, wenn monate- oder gar jahrelang die Miete nicht bezahlt wurde, meist nach sehr langen Gerichtsprozessen.



    Ist auch einem Freund passiert - nach 12 Monaten ohne Mietzahlung kam es zur Zwangsräumung, der säumige Mieter war dann schon verschwunden - unbekannt verzogen. Auf der entgangenen Miete und den 4-stelligen Renovierungskosten blieb er übrigens sitzen. Das war seine einzige Mietwohnung - und das hätte ihn fast ruiniert.



    Wird auch über diese Seite der Medaille hier berichtet?

    • @Holger Steinebach:

      Blöd gelaufen für deinen Freund, das meine ich ernst, tut mir leid. Aber hier geht es um Firmenkonglomerate die nicht nur eine Wohnung besitzen und diese als Altersvorsorge benutzen, sondern dutzende, hunderte oder tausende. Diese Firmen sind keine Opfer, wie vielleicht ab und zu mal der ein oder andere Privatvermieter und deswegen wird hier auch nicht darüber berichtet. Zumal einzelne Probleme mit Mietern nicht politisch relevant sind, im Gegensatz zu Immobilienhaien die den Menschen den bezahlbaren Wohnraum nehmen und keine Steuern zahlen.