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Protest gegen ZeitarbeitDie Grünen in der Verantwortung

Anarcho-Gewerkschaft protestiert vor der Böll-Stiftung der Grünen gegen prekäre Arbeitsverhältnisse dort im Haus: Zeitarbeit verstoße gegen Parteiprinzipien.

Sonst gerne laut gegen prekäre Arbeit: Grünen-Landeschef Bettina Jarasch und Daniel Wesener. Bild: dpa

Zur Sozialpolitik und prekären Arbeitsverhältnissen in Deutschland gab es in den letzten Jahren häufiger Vorträge und Seminare in den Räumen der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Heute am Donnerstag aber wird die Thematik im wahrsten Sinne vor der Haustür der Stiftung verhandelt. Die Basisgewerkschaft „Freie ArbeiterInnen Union“ (FAU) will ab 18.30 Uhr unter dem Motto „Leiharbeit abschaffen“ in der Schumannstraße 8 vor der Stiftung gegen prekäre Arbeitsverhältnisse dort protestieren.

Die Böll-Stiftung beschäftige seit Jahren MitarbeiterInnen über Outsourcing-Firmen zu prekären Arbeitsverhältnissen, kritisiert die FAU. Einer der Betroffenen ist Michael Rocher. Er arbeitet bei der Zeitarbeitsfirma Xenon und hat bei der Böll-Stiftung Aufarbeiten für Kongresse und das Catering übernommen. „Als Festangestellter würde ich 10,58 Euro Stundenlohn bekommen, als Leiharbeiter nur 8 Euro“, rechnet er gegenüber der taz die Differenz vor. Diese Situation gelte für knapp 20 Beschäftigte, so Rocher.

Nach dem Erhalt von Informationen über die FAU-Kampagne gegen Leiharbeit sei man aktiv geworden und habe eine Klage auf Festanstellung beim Arbeitsgericht eingereicht. Nach Gesprächen mit der Geschäftsleitung der Böll-Stiftung hätten in der vergangenen Woche zwei FAU-Mitglieder, die an einer Betriebsversammlung zu den prekären Arbeitsverhältnissen teilnehmen wollten, von der Geschäftsleitung Hausverbot bekommen. „Wir sehen auch die Grünen in der Verantwortung, da die Stiftung mit ihrer Praxis die Mindestlohnforderungen und Positionen zur Leiharbeit der Partei lächerlich aussehen lässt. Die FAU Berlin hat in den letzten Jahren deutlich gemacht, dass sie nicht konfliktscheu ist“, erklärte der FAU-Pressesekretär Stefan Kuhnt gegenüber der taz.

Anständig behandeln

Die Pressereferentin der Böll-Stiftung, Ramona Simon, bestätigte, dass Dienstleistungen im Bereich der Konferenzassistenz, der Medientechnik und des Empfangs seit drei Jahren von der Firma Xenon Service GmbH getätigt worden seien. Der Vertrag laufe zum 31. Juli aus. Danach werde die Dienstleistung erneut ausgeschrieben.

Weil Betriebsversammlungen dem MitarbeiterInnen vorbehalten seien, habe man die FAU-VertreterInnen nicht eingeladen. Mit den Forderungen der Grünen würden die Arbeitsbedingungen bei der Stiftung nicht kollidieren. „Wir achten dabei darauf, dass diese Firmen ihre MitarbeiterInnen anständig behandeln und, soweit es Tarife gibt, sie danach bezahlen“, betonte Simon.

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18 Kommentare

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  • "Zeitarbeit"

     

    Die moderne Art von "Sklaverei" und um etwas Menschlichkeit in die Fratze der Zeitarbeitsunternehmer zu skizzieren werden ab und an sehr medienwirksam eben diese "Manager" dieser Unternehmen bei Wohltätigkeits und Gewerkschaftsveranstaltungen in Szene gesetzt!

    Für die "Agentur für Arbeit" eine feste Grösse....schönt sie doch die Statistiken!

     

    Zeitarbeit ist eine Schande für jedes Land und...ein Verbrechen an der Demokratie!

  • R
    Ruppert

    Die Böll-Stiftung beschäftigt auch sonst reihenweise gut ausgebildete Akademiker zu Hungerlöhnen und mit immer wieder verlängerten Zeitverträgen. Gehalt einer Sekretärin, aber bitte Auslandserfahrung, Fremdsprachentkenntnisse, Berufserfahrung, vielleicht sogar Promotion etc..

    Nur auf der Vorstandsetage lässt man es sich richtig gut gehen.

  • A
    arbeitssklave

    es ist wirklich immer peinlich, wie in der böll-stiftung in konferenzen über hochtrabende themen wie lohngerechtigkeit usw. diskutiert und referiert wird,

    aufgebaut, serviert und bedient wird aber von geoutsourcten studenten-sklaven.

    leider wissen das die meisten nicht (selbst von den grünen nicht).

  • W
    Wolfgang

    Erinnerung

     

    In den 1960ern, in den letzten Wochen meiner Ausbildungszeit, bekam ich zusätzlich, zu meinem Lehrgeld (mtl. 110.- DM), mtl. 400,- DM (der Gesellenlohn lag bei rund 500,- DM).

     

    Auch Studenten wurden entsprechend ihrer Arbeitsleistung bezahlt. Unbezahlte Praktika, so wie heute, waren unbekannt.

     

    Allerdings, damals, im Gegensatz zu heute, gab es noch Gewerkschaften. Und die Mehrzahl der Arbeiter-Funktionäre waren keine rechtssozialdemokratischen "Sozialpartner" der Bourgeoisie und Aktionäre.

     

    Die spezialdemokratischen Funktionäre sind heute moralisch zu Zuhältern und Prostituierten der BDI-BDA-Monopol- und Unternehmerverbände der Bourgeoisie und gesellschaftspolitischen Allparteien-Administration verkommen.

     

    Eine tragfähige Reform der bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung ist ausgeschlossen, - ihre Beseitigung ist überfällig.

     

    Siehe doch nur heute, 6 Mrd. Euro für Millionen arbeitslose Jugendliche - in EU-Europa, aber 1200 Milliarden TEuro für Bankenvorstände, Hauptaktionäre und Spekulanten.

     

    Auch Deutschland braucht heute, eine soziale und emanzipatorische Revolution!

  • F
    Frank

    Es ist wirklich peinlich, dass die Stiftung sich jetzt mit Verweis auf die Vergabegesetze aus der Affäre ziehen möchte. Niemand zwingt sie, Dienstleistungen outzusourcen. Sie kann jederzeit Menschen zu den von ihnen gefordereten Bedingungen direkt anstellen. Dafür bedarf es keine Gespräche mit dem Betriebsrat, dies kann sie einfach machen. Zu suggerieren, dass es lächerlich wäre, knapp einen Euro mehr zu fordern - laut Gewerkschaft sind es knapp 3 - zeigt einfach, wie weit diese Institution entfernt ist von Menschen, die von 8 Euro brutto die Stunde leben müssen. Aber gut, wenn ich dies hier schreibe, betreibe ich ja das Geschäft der CDU und FDP, wie ein anderer Kommentator meint. Erinnert diese Argumentation nicht an was?

    http://www.boell.de/presse/presse-protest-fau-17777.html

  • F
    franky

    Laut ND waren 50 Leute bei der Aktion (http://berlin.fau.org/presse/pressespiegel'>http://berlin.fau.org/presse/pressespiegel). Das lässt sich doch sehen.

     

    Auch ich als Verdianer muss langsam neidlos anerkennen, dass die FAU Berlin erfrischend gute Gewerkschaftsarbeit macht. Man merkt richtig, dass sich da etwas entwickelt. Ich war regelrecht überrascht, was man auf ihrer Homepage alles findet (http://berlin.fau.org/). Das ist alles andere als konzeptlos, das wirkt sehr durchdacht. Ich bin mir sicher, da wird in Zukunft noch einiges zu hören sein.

  • NU
    Na und?

    Heuchelei, Doppelmoral, Verlogenheit? Die Grünenwähler wirds nicht stören. Die sind genauso wie ihre Partei. Solange ein grüner einen anderen Grünen hat um sich zu bestätigen wie gut man sei, solange wirds die Grünen geben.

  • F
    frankyboy

    das ist jetzt aber nicht wirklich für irgendjemand eine überraschung - oder?

     

    die partei der doppelmoral und toscnanawein säufer, dem rest wasser prediger sollte doch für sowas bekannt sein

     

    man schaue nur mal auf den stinkreichen gutbürgerlichen anwalt ströbele aus dem durchgentrifizierten besserverdienerviertel, der mit dem kleinbus in kreuzberg anreist, sein fahrrad auspackt und dann den großen "ich bin einer von euch" revoluzzer markiert

     

    oder den audi A8 mit was weiß ich wieviel CO2 ausstoß kutschierten stadtguerilla trittin

  • BS
    Bettina Stadtmüller

    Die ScheinHeiligen

     

    Das ist an Zynismus ja fast nicht zu überbieten! Der Zweck heiligt also wie so oft auch bein den Grünen angeblich die Mittel. Gut, dass die kritischen Berichte zunehmen! Die TAZ hatte ja schon zur Initiative linker Gewerkschafter gegen Zeitarbeit und Werkverträge berichtet, hier nochmals der Hinweis auf schluss-mit-leiharbeit. tk

     

    Sonnige Grüße aus Stuttgart!

  • FB
    Florian Besser

    Jo Leute, dann wählt mal schön FDP und CDU, die machen sicher alles besser.

  • P
    polenböller

    Das iss ja der Hammer, ey !

     

    Das hätte ich ausgerechnet bei der Heinrich-Böll-Stiftung, die sich über Steuergelder des Bundes refinanziert, nun wirklich nicht erwartet. Diese miese Masche haben die ja nun wirklich nicht nötig.

     

    Wer ist denn da Geschäftsführer ?

  • K
    Kimme

    Als ich vor 2 Jahren auf der Suche nach einem Volontariat war, wurde mir eines bei einem Bundestagsabgeordneten der GRÜNEN angeboten. Das Volontariat war in einem Bundestagsbüro, Dauer 1-2 Jahre und kein Gehalt.

    Man kann ja sagen was man will, aber bei meinem Praktikum bei einer FDP-Abgeordneten zuvor, hat diese extra eine 400€-Stelle für den Zeitraum geschaffen, um mir aus ihrem Bürobudget wenigstens etwas zahlen zu können, da es eigentlich für Praktika am BT nix gibt.

    So weit gehen manchmal Anspruch und Wirklichkeit auseinander.

  • L
    Lena

    Die Bundestagsabgeordnete Frau Höhn von den Grünen hatte übrigens allen Ernstes eine Stellenanzeige veröffentlicht, in der sie eine/n MitarbeiterIn für 4 (!) Euro Armutslohn pro Stunde gesucht hat. Natürlich mit bester Qualifikation.

     

    Überhaupt beuten die (Bundestags-) Abgeordneten die Leute auch oft aus. Und im Berliner Abgeordnetenhaus arbeiten u.a. MitarbeiterInnen der Grünen auf 400 Euro-Minijob-Basis.

     

    Die Grünen und die SPD haben insgesamt die Arbeit in Deutschland dermaßen entwertet, das es seine Schande ist. Auch berufliche Qualifikation ist nichts mehr wert. Nur sie selbst leben fürstlich von Steuergeldern.

     

    Die Grünen haben mit der SPD zusammen, als sie auf Bundesebene regierten, die Leiharbeit, Minijobs und insgesamt einen riesigen Niedriglohnsektor mit unsichereren Arbeitsverhältnissen in Deutschland etabliert.

     

    2005 haben sie auch noch Hartz IV eingeführt, davon können Leute, die auch nach einem jahr keine Arbeit gefunden haben nicht leben! Sie müssen in Armutsküchen gehen ("Tafeln") um sich essen zu erbetteln.

     

    Grüne und SPD sind die verlogensten Parteien , die wir haben.

     

    In beiden Parteien haben immer noch die Agenda 2010 und Hartz-IV-PolitikerInnen die Führung, die den größte Sozialabbau im Nachkriegsdeutschland verbrochen haben!

     

    DESHALB: Keine Stimme für Grüne oder SPD bei der Bundestagswahl!

  • P
    Petra

    Der Empfang der hbs wird nicht von Xenon, sondern klüh besetzt.

  • D
    Dhimitry

    Gute Aktion!

     

    Scheinheiligkeit aufdecken!

  • A
    ausfückte

    warum hockt die böll stiftung in einer der teuertsten lagen berlins in einem nur unwirtschaftlich zu unterhaltenden bourgeoisen politpalast.

     

    da gibts viel zu viel neben- und nicht sinnvoll nutzbare flächen

     

    das könnten die böller sich ja leisten ,wenns ihre eigene kohle wär.

     

    aber jeder euro kommt vom steuerzahler

     

    wenn dann noch der oberprotagonist aus dem glashaus heraus über den buchmarkt ungefragt der zivilgesellschaft weise soziale ratschläge erteilt,bleibt dem betrachter nür das staunen übrig

     

    wasser predigen aber nicht mal duschen.....

  • GG
    Grün geht gar nicht

    "Die Pressereferentin der Böll-Stiftung, Ramona Simon, bestätigte, dass Dienstleistungen im Bereich der Konferenzassistenz, der Medientechnik und des Empfangs seit drei Jahren von der Firma Xenon Service GmbH getätigt worden seien. Der Vertrag laufe zum 31. Juli aus. Danach werde die Dienstleistung erneut ausgeschrieben....

     

    Mit den Forderungen der Grünen würden die Arbeitsbedingungen bei der Stiftung nicht kollidieren. „Wir achten dabei darauf, dass diese Firmen ihre MitarbeiterInnen anständig behandeln und, soweit es Tarife gibt, sie danach bezahlen“, betonte Simon."

     

    - An diesem konkreten Beispiel zeigt sich, wieviel sich verändert hat, seit die Grünen gemeinsam mit der SPD in Regierungsverantwortung das Hartz I-Gesetz auf den Weg gebracht haben: nämlich gar nichts.

     

    Man kann sich daher gut vorstellen, wie sich die Grünen verhalten würden, wenn sie wieder (mit der SPD) in die Regierungsverantwortung kämen: Vermutlich keinen Deut besser als in der Vergangenheit.

     

    Die Grünen waren bei Beschluss des Hartz I-Gesetzes neoliberal ausgerichtet und sind es bis heute. Sie sind nichts anderes als eine FDP mit grünem Anstrich.

     

    Wer möchte, dass sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt zugunsten der Arbeitnehmer durch entsprechende Regulierung etwas entscheidendes verbessert, ist daher gut beraten, nicht die Grünen zu wählen.

  • R
    Ratte

    Bei den ganzen Berichten und Diskussionen über Leih- und Zeitarbeit, prekäre Beschäftigung und Werkverträge wird oft übersehen, dass die doch so tollen Grünen da schön mitgestimmt haben. Es ist auch ihr moralisches Erbe und nicht nur die Akademikerliga in Vorstadtvillen. Die Grünen verstehen es, bei diesen und anderen Themen, sich unsichtbar zu machen. Deutlich muss darauf hingewiesen werden wie unter Schröder all dieser Unfug von Hartz IV, Deregulirung des Finanzmarktes, Zulassung von Hedgefonds usw., gestartet wurde. Immer mit Zustimmung der Grünen.