Protest gegen Waffengewalt in Belgrad: Vučić in Bedrängnis
In Serbien fordern Demonstrierende von der Regierung, Gewaltverherrlichung in Medien zu beenden. Zudem wollen sie den Rücktritt mehrerer Politiker.
Bei der dritten Demonstration unter dem Motto „Serbien gegen Gewalt“ forderten die Teilnehmer erneut den Rücktritt hochrangiger Politiker und ein Ende der Gewaltverherrlichung in serbischen Medien.
Die Demonstranten fordern von der Regierung unter anderem den Entzug der Sendelizenzen für Fernsehsender, die gewalttätige Inhalte verbreiten, sowie ein Verbot regierungsnaher Zeitungen, die Spannungen schüren, indem sie gegen politisch Andersdenkende hetzen. Zudem pochen sie auf den Rücktritt des Innenministers und des Geheimdienstchefs.
Die Proteste zählen bereits jetzt zu den größten seit den Massendemonstrationen, die im Jahr 2000 zum Rücktritt des damaligen Machthabers Slobodan Milošević führten.
Serbischer Präsident beklagt „Politisierung“
Vertreter der Serbischen Fortschrittspartei von Präsident Aleksandar Vučić verurteilten die Proteste als „Politisierung“ der Bluttaten, deren Ziel es sei, Vučić anzugreifen. Die mit Vučić eng verbündete Regierungschefin Ana Brnabic warf „ausländischen Geheimdiensten“ vor, Unruhe zu schüren, um Serbien zu destabilisieren.
Der Präsident selbst hatte nach den tödlichen Angriffen eine groß angelegte „Entwaffnungskampagne“ angekündigt. Für kommende Woche kündigte er selbst eine Demonstration an, die nach seinen Worten die „größte Versammlung der serbischen Geschichte“ sein soll.
Beim ersten der beiden Schusswaffenangriffe hatte ein Schüler Anfang Mai in einer Belgrader Schule mit einer Waffe seines Vaters acht Kinder und einen Wachmann erschossen, ein Mädchen starb am Dienstag, fast zwei Wochen nach dem Angriff. Weniger als 48 Stunden nach der Bluttat in der Schule tötete ein 21-Jähriger in mehreren Dörfern nahe Belgrad acht Menschen. Bildungsminister Branko Ruzic trat daraufhin zurück.
Nach Regierungsangaben sind in dem 6,8-Millionen-Einwohner-Land mehr als 760.000 Schusswaffen registriert. Dem Rechercheprojekt Small Arms Survey (SAS) zufolge besitzen 39 Prozent der Bevölkerung eine Waffe – in keinem anderen europäischen Land ist der Anteil so hoch.
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