Protest gegen Podiumsteilnahme: AfD spaltet Hamburger Anwaltverein
Zu einer Podiumsdiskussion haben Anwalt- und Richterverein den AfD-Politiker Wolf eingeladen. Rechtsanwält:innen treten deshalb aus dem HAV aus.
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Anlässlich der Bürgerschaftswahl in Hamburg Anfang März plant der HAV nächste Woche Donnerstag zusammen mit dem Hamburgischen Richterverein (HRIV) eine Podiumsdiskussion, bei der Politiker:innen über den Rechtsstandort Hamburg diskutieren sollen. Auf der Agenda stehen Themen wie der Pakt für den Rechtsstaat, Justizvollzug und die Sanierung des Strafjustizgebäudes.
Eingeladen wurden die rechtspolitischen Sprecher:innen aller in der Hamburgischen Bürgerschaft vertretenen Parteien – darunter eben auch Wolf, der seit 2015 für die AfD in der Bürgerschaft sitzt. Wolf ist Herausgeber der Nazi-Liedersammlung „Schlachtruf“.
Die Hamburger Strafverteidigervereinigung, einzelne Rechtsanwält:innen und die Linke forderten den Anwaltverein nun auf, den AfD-Politiker wieder auszuladen. Die Rechtsanwältin für Strafrecht, Doris Dierbach, war eine der Ersten, die sich an den HAV wandte. Sie wollte die Veranstaltung besuchen, bis sie las, dass auch Alexander Wolf eingeladen ist. „Die Idee mit erklärten Antidemokraten zu diskutieren, finde ich grotesk“, sagt Dierbach.
Nicht zu Neutralität verpflichtet
Nachdem sie den Verein in einer ersten Mail aufgefordert hatte, den AfD-Politiker auszuladen, schrieb sie einen offenen Brief. Zeitgleich erklärte sie zusammen mit ihrem Anwaltskollegen den Austritt aus dem Verein. „Die AfD einzuladen, bedeutet, Antidemokraten den roten Teppich auszurollen“, sagt Dierbach und das tue nicht not. Der Verein sei nicht zur Neutralität verpflichtet und könne selbst entscheiden, wen er einlade.
Innerhalb der Strafverteidervereinigung hätten viele Mitglieder ihr Entsetzen geäußert, erzählt der Vorstandsvorsitzende Arne Timmermann. Von den zehn Mitgliedern des Vorstandes hätten alle, die Mitglied des HAV sind, ihren Austritt angekündigt.
Anwalt- und Richterverein verträten bedeutende juristische Berufsgruppen, die für die Grundwerte der Verfassung eintreten, heißt es in einem Brief der Strafverteidigervereinigung. Die AfD zu einer Diskussionsrunde einzuladen sende ein falsches Signal. „Das lässt die AfD wie eine ganz normale, demokratische Partei erscheinen“, sagt Timmermann“, „das ist sie nicht“.
Gerade, wenn über rechtliche Themen gesprochen werden solle, könne die AfD nicht dabei sein. „Man kann nicht über den Pakt für den Rechtsstaat sprechen und gleichzeitig einen AfD-Vertreter einladen, der den Rechtsstaat abschaffen will“, sagt Timmermann. „Mit Faschisten diskutiert man nicht.“
Die Strafverteidigervereinigung und die ausgetretenen Rechtsanwält:innen sind sich darin einig, dass man die AfD grundsätzlich nicht einladen dürfe. „Dass der eingeladene Vertreter nun ausgerechnet Alexander Wolf ist, kommt noch hinzu“, sagt Timmermann. Jemand, der eine Nazi-Liedersammlung herausgebe und auf seiner Website zur Remigration aufrufe, eigne sich nicht als Gesprächspartner. „Das ist ein Hardcore-Nazi“, sagt der Mann von der Strafverteidigervereinigung.
Doris Dierbach, Rechtsanwältin für Strafrecht
Der HAV weist die Vorwürfe, er würde damit Rechtsextremen den Weg bahnen, von sich. In seiner Stellungnahme heißt es, er habe zwar Verständnis dafür, habe sich aber entschieden, alle Parteien einzuladen, die aktuell im Hamburger Parlament vertreten sind und zur Wahl stehen. Außerdem gehe man davon aus, dass die Teilnehmer:innen in der Lage sein würden, undemokratischen Aussagen zu bewerten. Dafür werde auch der Moderator sorgen.
Am Montag hatte der Vorstand des Anwaltvereins dennoch eine Sondersitzungeinberufen und erneut abgestimmt. Die Mehrheit sprach sich dafür aus, Wolf weiterhin einzuladen.
Der HRIV teilt den Standpunkt des Anwaltvereins. Auf taz-Anfrage teilte er zudem mit: „Die Entscheidung, eine oder mehrere Parteien nicht einzuladen, wäre eine politische.“ Mit der Überparteilichkeit des Vereins sei dies nicht vereinbar.
Timmermann könnte noch verstehen, dass sich die Vereine verrannt haben. „Aber dass man trotz all der Kritik am Ende dabei bleibt, das finde ich fast schlimmer“, sagt er.
Die Linken-Politikerin Carola Ensslen, die ebenfalls als Diskutantin zur Podiumsdiskussion eingeladen war, hat inzwischen Konsequenzen gezogen: Sie wird nicht an der Veranstaltung teilnehmen, solange die AfD eingeladen bleibt. „An Schulen gibt es aufgrund des Neutralitätsgebots keine Wahl“, sagt sie. „Aber beim Anwaltsverein können sie frei entscheiden, wen sie einladen.“ Auch Lena Zagst von den Grünen hat ihre Teilnahme an der Veranstaltung nun zurückgezogen.
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