Protest gegen Hamburgs Schlick-Pläne: Gift-Deponie am Nationalpark
WWF, BUND und Nabu protestieren gegen Hamburgs Pläne, Hafenschlick im Watt zu verklappen. Das gefährde das Ökosystem. Auch eine Klage steht im Raum.
Das Areal liegt zwar in der Fahrrinne der Elbe, die wegen ihrer Bedeutung für den Schiffsverkehr vom Naturschutzgebiet ausgenommen ist. Es grenzt jedoch auch unmittelbar an das Weltnaturerbe Wattenmeer. Das findet Lucas Schäfer, Geschäftsführer des BUND Hamburg, „absurd und nur der Anmaßung des Hamburger Senats und der Hafenwirtschaft zu verdanken“. Die Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA) setze sogar darauf, „dass die Schadstoffe verdünnt werden und in die benachbarten Schutzgebiete verdriften“.
Für das mit Schwermetallen und Schadstoffen belastete Baggergut der höchsten Schadstoffklasse 3 werde eigentlich eine Entsorgung an Land empfohlen, so Beatrice Claus vom WWF. Die Verklappung vor Scharhörn verletze außerdem Schadstoffgrenzwerte aus internationalen Abkommen.
Vor einem Monat hat der Hamburger Senat mit einem Gutachten der HPA seinen Plan für die Verklappung vorgestellt. Die Sedimente, die sich seit der mehrstufigen Vertiefung der Elbe in immer größerer Menge ansammeln, müssen abgebaggert werden, um auch großen Schiffen die Zufahrt zum Hafen zu ermöglichen. Flussabwärts abgelagertes Baggergut spült die Tide mit der Zeit zurück in den Hafen. Dem Problem soll das neuen Endlager für Hafenschlick am Ästuar der Elbe, dem trichterförmigen Bereich der Flussmündung, entgegengewirkt werden.
Tricksen bei der Simulation
Die Ästuarexpertin bemängelt das Gutachten der HPA. Für das Modell, in dem die Verteilung von Sedimenten rund um das Ablagerungsgebiet vor Scharhörn simuliert wurde, seien die Ausgangsdaten nicht nachvollziehbar gewählt worden. Die sind aber entscheidend für die Aussagekraft der Simulation. „In dieses Modell wurden Eingangsparameter eingegeben, die mit der tatsächlichen Verbringungsmethode gar nichts zu tun haben“, so Beatrice Claus.
Beispielsweise sei die Verklappung von 1.000.000 Kubikmetern Schlick in der Realität für 196 Tage geplant, im Modell wurden für die gleiche Menge nur 8,3 Tage berechnet. Seegang, Wetter, Sedimente eines Verklappungsgebietes flussaufwärts, unterschiedliche Kornstärken des Baggerguts im Vergleich zum Watt – all diese Faktoren seien im Gutachten nicht oder allenfalls mangelhaft behandelt worden. Eine hinreichende Langzeitprognose fehle ebenfalls.
Vor allem Tiere könnten unter der Belastung der Schadstoffe leiden, so Claus. Schwermetalle, über gefressene Fische aufgenommen, ließen die Eier bestimmter Vogelarten brüchig werden, Muscheln würden durch das getrübte Wasser in ihrer Filterfunktion behindert, die Änderung der Korngröße im Watt verdränge Tiere wie den Sandaal. Der ist aber wiederum Nahrungsgrundlage der Brandseeschwalbe.
Die Schadstoffe erreichten so über die Nahrungskette mittel- oder unmittelbar alle Lebewesen im betroffenen Bereich. Das Bündnis geht nicht davon aus, dass die Verdünnung der Schadstoffe durch die zeitlich versetzte Ausbreitung des Hafenschlicks in die angrenzenden Naturschutzgebiete der Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ausreicht, um langfristige Schäden zu verhindern.
Helfen soll eine „Hafenkooperation“
Als Lösung für das Problem der Verschlickung im Hamburger Hafen kommt für das Bündnis ausschließlich eine länderübergreifende Hafenkooperation ins Spiel. „Nur mit einer strategischen Kooperation der Seehäfen Wilhelmshaven, Bremerhaven und Hamburg könnten die Baggermengen substanziell reduziert werden“, teilen die Umweltverbände in einer Pressemitteilung mit. Kurz gesagt, fordern die Umweltverbände, die Elbe wieder versanden zu lasen und Schiffe mit großem Tiefgang in Bremerhaven oder Wilhelmshaven teilweise zu entladen, so dass sie Hamburg später dennoch anlaufen könnten.
Ein Festhalten an den derzeitigen Plänen der HPA sieht Lucas Schäfer als äußerst unklug. „Mit seinem jetzigen Vorgehen in Sachen Scharhörn isoliert sich Hamburg in der Hafenpolitik endgültig von den Nachbarländern. Das ist weder politisch sinnvoll noch für den desolaten Zustand der Elbe vernünftig“, meint der BUND-Vorsitzende.
Sollte der Hamburger Senat auch nach Prüfung aller Einwände noch zu dem Schluss kommen, die Verklappung von Schlick vor der Insel Scharhörn sei eine gute Idee, behalten sich die Umweltorganisationen eine Klage gegen den Eingriff vor. Mit Anwalt Rüdiger Nebelsieck prüft das Bündnis momentan alle Möglichkeiten, das Unterfangen juristisch abzuwenden. Auf der Website kein-gift-ins-watt.de haben die NGOs eine Petition gegen die Verklappung gestartet.
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