Protest gegen Flüchtlngsunterkunft: Häuslebauer lieber unter sich
In Neugraben-Fischbek soll in einem Neubaugebiet nun auch ein Viertel für 3.000 Flüchtlinge entstehen. Das macht manchem künftigen Hausbesitzer Sorgen.
Der Plan, in Neugraben-Fischbek ein Wohnquartier zu errichten, ist alt. Schon seit Anfang der 90er-Jahre sei ein Wohnquartier am Vogelkamp vorgesehen gewesen, sagt Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeld (SPD), die am Montag im Rathaus das Projekt vorstellte. Die Planungen hätten sich über Jahre hingezogen, Bebauungspläne seien mehrmals geändert worden, aber umgesetzt wurde schließlich fast nichts.
Ein seltener Vogel war der Grund für die langen Diskussionen gewesen: Der Wachtelkönig, der im angrenzenden Landschaftsschutzgebiet zu Hause ist und unter Artenschutz steht, könnte durch die geplante Siedlung bedroht und vertrieben werden, hatten Tierschützer befürchtet. Das umfangreiche Bauvorhaben von damals 3.000 geplanten Wohnungen war deshalb nicht zustande gekommen.
Im Jahr 2012 hatte es eine erneute öffentliche Planungsdiskussion gegeben, an deren Ende verschiedene Schutzvorkehrungen für den Wachtelkönig beschlossen wurden. Daraufhin setzte die Stadtplanungsbehörde die IBA als Projektentwicklerin ein und beauftragte sie, das Vorhaben endlich umzusetzen.
Dass es nun so teuer wird, sei der extrem langen Planungszeit geschuldet, sagte Senatorin Stapelfeld. 46 Millionen Euro seien in der Tat kein kleiner Betrag, räumte auch der Leiter des Bezirksamts Harburg, Thomas Völsch (SPD), ein. „Das entspricht etwa dem Gesamtbudgets des Bezirksamts für ein Jahr“, sagt er.
Während die Geschäftsführerin der IBA, Karen Pein, für das teure Projekts als „familienfreundliches neues Quartier in bester Lage und mit optimaler Verkehrsanbindung“ wirbt, stößt der Plan bei den AnwohnerInnen auf wenig Gegenliebe. Als der Senat Ende September bekannt gab, dass Am Aschenland, an der Westseite des riesigen Areals, 3.000 Flüchtlinge unterkommen sollen, protestierten sie. Unter dem Motto „Ja zur Hilfe, Nein zur Politik“ gingen am vorvergangenen Sonntag 1.000 Menschen gegen die Unterkunft in ihrem Stadtteil auf die Straße.
Einige der zukünftigen EigentümerInnen der noch in der Planung und teilweise im Bau befindlichen Häuser zogen auch gleich ihr Kaufinteresse zurück. Weil sie einen Wertverlust ihrer Immobilien befürchten oder nicht in direkter Nachbarschaft zu den Flüchtlingen wohnen wollen, haben bereits vier potenzielle KäuferInnen ihre Reservierung gekündigt, sagte Karen Pein.
Einige AnwohnerInnen wollen klagen, um die Unterkunft zu verhindern. Der Anwalt Gero Tuttlewski, der auch schon an den Sophienterrassen und in Klein Borstel einen Baustopp für Flüchtlingsunterkünfte erwirkt hat, soll sie vertreten. Beim Bezirksamt und bei der IBA ist man entspannt. „Bis jetzt liegt keine Klage vor“, sagte Bezirksamtsleiter Thomas Völsch. Karen Pein versicherte, es gebe keinen Grund, die Grundstückspreise von 180 bis 220 Euro pro Quadratmeter zu senken oder sich um die Vermarktung zu sorgen.
Die besorgten AnwohnerInnen hingegen haben schon ihre nächste Demo angekündigt: Am Sonntag wollen sie erneut protestieren. Auch Mitglieder der Initiative „Willkommen an der Süderelbe“ wollen sich laut Hamburger Abendblatt an dem Protest gegen ein großes Flüchtlingsquartier beteiligen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu