Senat öffnet Unterkünfte: Neue Nachbarn für Geflüchtete

Flüchtlingsquartiere sollen nun bald auch von anderen Wohnungssuchenden genutzt werden. Doch wie weit die soziale Durchmischung gehen soll, ist umstritten

Wo sich bald auch Deutsche zu integrieren haben: in einer Hamburger Folgeunterkunft Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Die in Hamburg geplanten Flüchtlingsquartiere sollen, früher als bislang vorgesehen, auch für andere Bewohnergruppen geöffnet werden. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den die rot-grüne Koalition am 9. November in die Bürgerschaft einbringen will. Danach soll die städtische Gesellschaft Fördern & Wohnen, die die Flüchtlingsunterkünfte betreibt, diese nicht mehr allein an Schutzsuchende vergeben.

Eine in dem Gesetz verankerte Satzungsänderung soll es ihr zukünftig auch erlauben, die bisherigen Unterkünfte für Schutzsuchende ebenfalls an dringlich Wohnungsuchende oder „in einem angemessenen Anteil auch an nicht hilfsbedürftige Personen“ zu vermieten. So soll eine mögliche Ghettoisierung der Flüchtlinge durch eine frühere soziale Durchmischung der neuen Quartiere verhindert werden.

Der Gesetzentwurf setzt nach Auffassung der Regierungsfraktionen die Einigung mit der Volksinitiative „Hamburg für eine gute Integration“ vom Juli um. In ihr wurde eine Verkleinerung der von den Kritikern nach dem Bürgermeister benannten Großunterkünfte und eine baldige Mischung von Wohnungen für Flüchtlinge und andere Bewohnergruppen beschlossen. „Schritt für Schritt sollen die Flüchtlinge mit längerfristiger Bleibeperspektive in normalen Wohnraum integriert werden“, heißt es in dem Bürgervertrag.

Testfall für das neue Regelwerk soll die von Fördern & Wohnen errichtete Flüchtlingsunterkunft am Poppenbütteler Berg sein. Hier entstehen derzeit in zwei Bauabschnitten rund 310 Wohnungen in denen je nach Bedarf 500 bis 650 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Da die Sozialbehörde eine „besonders dichte Belegung“ mit bis zu fünf Flüchtlingen pro Wohneinheit anstrebt, werden nur etwa die Hälfte der Wohnungen für Menschen auf der Flucht gebraucht. „Bislang konnten wir mit wenigen Ausnahmen nur die öffentliche Unterbringung von Flüchtlingen organisieren, in Zukunft werden wir nun alle Wohnungen nach festen Kriterien belegen können.“, sagt Fördern & Wohnen-Sprecherin Susanne Schwendtke.

Aus Mitteln des Integrationsfonds wollen SPD und Grüne den Bau eines Begegnungshauses am Poppenbütteler Berg mit 600.000 Euro unterstützen. Das Projekt soll im Selbstbau von und mit Geflüchteten entstehen.

Mit dem Integrationsfonds soll die haupt- und ehrenamtliche Integrationsarbeit ausgebaut und die Teilhabe von Migranten vorangetrieben werden. Dafür stehen 2016 sieben Millionen Euro im Haushalt der Stadt zur Verfügung.

Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karin Prien hingegen fordert eine noch weitere Durchmischung nach dem „Drittelmix“. Demnach sind Investoren gefordert, ein Drittel Sozialwohnungen, ein weiteres Drittel frei finanzierte Mietwohnungen und ein Drittel Eigentumswohnungen zu bauen. Eine Verteilung zuungunsten der Flüchtlinge und dringlich Wohnungssuchenden, die sich die Wohnungen des ersten Drittels aufteilen müssten. Zudem sieht Prien die Gefahr, dass durch das Gesetz „die Monopolstellung von Fördern & Wohnen zementiert wird“. Die Vereinbarung zwischen den Regierungsfraktionen und dem Initiativverband sehe hingegen vor, auch andere Träger an der Belegung der Flüchtlings-Quartiere zu beteiligen.

Für die Fraktionsvorsitzende der Linken Cansu Özdemir „lässt der Gesetzentwurf viele Fragen offen“. Unklar sei, was es bedeute, wenn das städtische Unternehmen vom Betreiber zum Vermieter wird und ob die Bindung für sozial schwache Gruppen durch das Durchmischungskonzept „aufgehoben und ausgehebelt wird“.

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