Protest gegen AfD-Tagung: Wer im Schloss Reinbek tagen darf
Die „Omas gegen Rechts“ demonstrierten gegen eine Tagung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Themen waren konservative Ethik und Demographie.
D ie vermeintlich biedere Gesellschaft kam im gediegenen Ambiente zusammen. Die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) wollte gern ohne große Öffentlichkeit tagen. Vor dem Schloss Reinbek nahe Hamburg wurden die Teilnehmenden der AfD-nahen Stiftung am Montag jedoch von den „Omas gegen Rechts“ erwartet. An die 60 Gegendemonstrierende standen an der Allee zum Innenhof. „Nazis raus“ wurde gerufen, „Demokratie leben & schützen“ stand auf einem Transparent.
Die Stiftung hatte den Gartensaal des Schlösschens aus dem 16. Jahrhundert angemietet. Rund 60 Gäste folgten der Einladung unter dem vermeintlich harmlosen Titel „Deutschland 2050“. Einige schimpften über den Protest, manchen verbargen ihr Gesicht. Einer filmte mit seinem Handy die Demonstration, an der auch Vertreter*innen von SPD und Grünen teilnahmen. Als sich der Grünen-Fraktionsvorsitzende aus Reinbek, Günter Herder-Alpen, bei der Polizei beschwerte, schritt diese ein.
Hinter den Schlossmauern beschäftigten sich die Teilnehmenden mit „Konservativer Ethik“ und auch die „Demographie im 21.Jahrhundert – Familienpolitik versus Migration“ stand für den Montagnachmittag auf dem Programm. Ein Blick auf die Vortragenden zeigt, dass hier nicht bloß konservative Bildungsarbeit geleistet, sondern vor allem extrem rechte Weltanschauung verbreitet werden sollte.
Zu den fünf Referenten gehörte der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah. Das AfD-Bundesvorstandsmitglied hat auch schon beim extrem rechten „Institut für Staatspolitik“ referiert. Krah warnt vor einem „Globalismus in den Farben des Regenbogens“ und beklagt, dass die „Eliten in Brüssel“ immer „mehr Migration aus Afrika“ fördern würden.
Ex-“Flügel“-Leute referieren
Referieren sollten auch Sebastian Maack, AfD-Bezirksratsmitglied in Berlin-Reinickendorf, und Martin Reichhardt, AfD-Bundestagsabgeordneter und Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt. Beide standen dem selbst aufgelösten „Flügel“ nahe, sagt Christel Stöffler vom „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBgR).
Nicht weniger weit rechts steht Jonas Schick. Der frühere Aktivist der Identitären Bewegung ist Herausgeber von Die Kehre – Zeitschrift für Umweltschutz. Darin durfte der Gründer des „Flügels“ und AfD-Landtagsfraktionsvorsitzende Björn Höcke breit darlegen, dass die Grünen „ihre in letzter Konsequenz umweltfeindliche Ideologie den naturverliebten Deutschen als saftig-süße Melone“ verkauften – „außen grün und innen rot“.
Am vergangenen Donnerstag hatte das HBgR auf die Tagung aufmerksam gemacht. Dem Bündnis liegen auch die Tagungsunterlagen vor. Zur inhaltlichen Vorbereitung sollten die Teilnehmenden beantworten, welches „Gift in den Seelen zum westlichen Selbsthaß“ führe und wie der „autochthonen Bevölkerung“ das Leben erleichtert werden könne.
In einer „Kursbestimmung“ warnt der Vorsitzende der DES Schleswig-Holstein, Dietrich Wienecke, vor einer „neo-marxistischen Kulturrevolution“. Die neue „Zivilreligion“ sei „wie ein Virus, ein Fieberwahn oder ein Rausch, der die Seelen befallen hat“.
Antisemitische Codes von „Infiltration“ und „Gehirnwäsche“ finden sich in dem Dokument ebenso wie die Verächtlichmachung von trans* Personen oder die Warnung vor muslimischer Masseneinwanderung, schreibt das HBgR. Das Bündnis hatte die Leitung des Kulturzentrums Schloss Reinbek aufgefordert abzusagen. Jedoch ohne Erfolg.
Das Schloss ist im Besitz der Stadt Reinbek und damit eine kommunale Einrichtung. „Laut unserer Satzung müssen wir uns neutral verhalten und an alle Parteien vermieten“, sagt die Leiterin des Kulturzentrums, Elke Güldenstein. Eine Änderung dieses Grundsatzes zur Gleichbehandlung könne nur die Politik beschließen.
Stöffler hält das für eine falsche Neutralität. Sie folge „einem gefährlichen gesellschaftlichen Trend der Verharmlosung rechten Gedankenguts“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge