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Protektionismus in Deutschland?Der Kater nach dem Opel-Deal

Ausgerechnet die Gesandten von Bund und Ländern waren gegen die Übernahme durch Magna. Ex-Conti-Manager Wennemer hält "New Opel" für nicht lebensfähig.

Sie gehören nicht zum "Freundeskreis Magna": Der Beauftragte der Opel-Bundesländer Dirk Pfeil (l) und der Regierungsvertreter Manfred Wennemer (r). Bild: dpa

RÜSSELSHEIM taz | Beinahe hätte es für Magna geheißen: Knapp daneben ist auch vorbei. Wie erst am Donnerstagabend bekannt wurde, segneten nur zwei von vier stimmberechtigten Mitgliedern der Treuhand in Berlin den Antrag von General Motors (GM) ab, 55 Prozent der Anteile von GM an der Opel GmbH mit Stammsitz in Rüsselsheim an Magna zu verkaufen. Ausgerechnet der Vertreter der Bundesregierung, der frühere Conti-Topmanager Manfred Wennemer, und der Beauftrage der Bundesländer mit Opel-Standorten, der Hesse Dirk Pfeil (FDP), widersetzten sich dem Anliegen. Damit widersprachen sie sowohl dem erklärten Willen ihrer jeweiligen Entsender als auch dem von GM. Dem euphorisierten deutschen "Freundeskreis Magna" - an dessen Spitze die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht - dürfte das nicht gefallen haben. Wennemer jedenfalls wurde von der Bundesregierung bereits gerügt.

Der frühere Vorstandsboss von Continental hält die mehrheitliche Übernahme von Opel durch den kanadisch-österreichischen Teilebauer und Zulieferer für "keine tragfähige Lösung". In einigen Jahren nämlich, so seine Prognose, werde New Opel mit Magna und der avisierten Beteiligung der Arbeitnehmer von rund zehn Prozent in die Insolvenz gehen müssen.

Opel produziere zu teuer und sei nur auf Europa fixiert. Auch der aktuell danieder liegende russische Markt, den Magna über die Beteiligung der dortigen Sberbank und des maroden Autobauers GAZ - einem Verlustbringer - für Opel öffnen will, werde das Unternehmen nicht mehr retten können. Wennemer stimmte in der Treuhand, die Opel seit der ersten Ausschüttung von Staatsgeldern hoheitlich verwaltet, deshalb konsequent dagegen.

Der passionierte Europäer Pfeil enthielt sich der Stimme mit der Begründung, dass Magna beim geplanten Stellenabbau die Opelwerke in Deutschland zwar weitgehend verschonen wolle, dafür aber Produktionsstätten in anderen europäischen Ländern bluten müssten. Tatsächlich beklagt man sich etwa in Belgien mit dem Opelwerk in Antwerpen schon bitter über die ausschließlich von Deutschland favorisierte und forcierte Übernahme durch Magna.

In einer seltenen Phalanx hatten die Ministerpräsidenten der vier Bundesländer mit Opelwerken, die Bundesregierung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) an der Spitze sowie der Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz alle Alternativen zu einer Übernahme durch Magna verworfen. Der belgische Vizepremierminister Didier Reynders fordert deshalb jetzt von der EU eine Untersuchung über "möglichen Protektionismus in Deutschland"; und Arbeitsministerin Joelle Milquet beklagte laut den "Mangel an Zusammenhalt" in Europa in der Opelkrise.

Die EU-Kommission will denn auch die Industrie- und Wirtschaftsminister der von der Entscheidung für Magna betroffenen Staaten zu einer Konferenz nach Brüssel laden. Und die Kommission pocht bei der avisierten Milliardenhilfe für New Opel auf die Einhaltung der Regeln des Beihilferechts.

Hätte Pfeil wie Wennemer mit "Nein!" gestimmt, wäre der Deal geplatzt. Denn für Magna votierten nur die beiden Vertreter von GM in der Treuhand. Pfeil wollte aber nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass sich bei einem Patt in der Treuhand die Debatte um die Zukunft von Opel wohl weiter hingezogen hätte. Sollte der Konzern mit Magna und den Russen nicht überlebensfähig sein, wird der Steuerzahler erneut zu Kasse gebeten, meint Wennemer. Widersprochen hat ihm bisher niemand.

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