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Prostitution in VideospielenEndlich ein Gegenbeispiel

Wenn Sex­ar­bei­te­r:in­nen in Games auftauchen, geht es meist darum, ihnen Gewalt zuzufügen. Das Spiel „Opportunity: A Sugar Baby Story“ setzt auf Selbstbestimmung.

Gute Spiele können die Lebenswelt von Sex­ar­bei­te­r:in­nen erfahrbar machen Foto: imago

I ch will dich“, sagt Roman. Und mein Spielcharakter Jacqueline will Roman auch. Seit Tagen klicke ich mich durch ihre schmachtenden Tagträume. „Aber ich will nicht die Dinge, die damit einhergehen würden, dich außerhalb einer beruflichen Tätigkeit zu daten“, erklärt Roman weiter. Heißt: Er will ­Jaquelines Kinder nicht. Dafür hat er aber Geld. Und so einigen sich die beiden schnell: Jacqueline wird Romans Sugarbaby. Dann haben sie leidenschaftlichen Sex.

Sugardating ist eine Form der Sexarbeit. In dem Adult-­Videospiel „Opportunity: A Sugar Baby Story“ aus dem Jahr 2023 kann man – vorausgesetzt, man ist mindestens 18 Jahre alt – erleben, wie es sich anfühlt, sich selbstbestimmt für diesen Beruf zu entscheiden. Damit ist das Spiel eine absolute Ausnahme. Denn Sex­ar­bei­te­r:in­nen werden in Videospielen in der Regel nur in Kontexten dargestellt, in denen sie Gewalt erfahren. Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 traf dies auf alle acht untersuchten Videospielhits zu.

Diese Darstellung von Sexarbeit bildet die Realität aber nur zum Teil ab. Sie zeigt die Gewalt, die Menschen in Zwangsprostitution erleben. Dass Gewalt in der Branche weit verbreitet ist, belegen auch Berichte von Ak­ti­vis­t:in­nen wie Huschke Mau. Aber nicht alle Sex­ar­bei­te­r:in­nen empfinden ihre Arbeit als gewaltvoll. Einer nichtrepräsentativen Umfrage der Erotikplattform Erobella zufolge sind mehr als die Hälfte der befragten Sex­ar­bei­te­r:in­nen eher oder sehr zufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen.

Die einseitige Darstellung von Prostitution als gewaltvoll ist problematisch. Denn „wie Medien Sexarbeit darstellen, prägt unsere kulturelle Haltung gegenüber Sexarbeitenden. Das gilt auch für digitale Spiele“, sagte Nina Kiel auf einer Veranstaltung des Anti­sexismusvereins Game:in in Berlin Anfang Juli. Kiel forscht zu Liebe und Sex in Spielen an der TH Köln.

Das Game

„Opportunity: A Sugar Baby Story“ (2023) von dem Entwickler BP Games kann man für 13 Euro auf itch.io kaufen. Und hier gibt es das erste Kapitel als kostenlose Demo.

Sex­ar­bei­te­r:in­nen haben oft passive Rollen

In einem wissenschaftlichen Beitrag aus dem Jahr 2024 analysierte sie, wie Videospiele Gewalt gegen Sex­ar­bei­te­r:in­nen normalisieren: „Grand Theft Auto V“ (2013) ist so programmiert, dass man Geld gewinnt, wenn man Sex­ar­bei­te­r:in­nen tötet, deren Dienste man gerade in Anspruch genommen hat. Und in „Fable III“ (2010) ist es eine offizielle Nebenaufgabe, eine Sexarbeiterin zu töten.

Sex­ar­bei­te­r:in­nen ­nehmen in Videospielen meist die Rolle passiver, geschädigter oder toter Nebencharaktere ein. Diese Darstellung verstärkt die gesellschaftliche Stigmatisierung von Sex­ar­bei­te­r:in­nen als Gewaltopfer ohne Selbstbestimmung. Und Stigmatisierung führt wiederum dazu, dass Sex­ar­bei­te­r:in­nen schlechter durch das Recht und die Zivilgesellschaft geschützt sind.

Deswegen sind Videospiele wie „­Opportunity: A ­Sugar Baby Story“ so wichtig. Weil sie die Lebenswelt von Menschen, die Stigmatisierung erfahren, nachvollziehbar machen. Jacqueline zum Beispiel beschreibt, wie sie dachte, sie würde sich nach dem ersten Mal mit Roman „hohl oder schmutzig oder leer oder irgendwie SCHLECHT fühlen“. Stattdessen fühle sie sich „so wenig ängstlich und unsicher“ wie seit Jahren nicht mehr.

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Alexandra Hilpert
Redakteurin
Hat in Leipzig Journalismus studiert und ist seit 2022 fest bei der taz, aktuell im Online-Ressort als CvD und Nachrichtenchefin. Schreibt am liebsten über Wissenschaft, Technik und Gesellschaft, unter anderem in ihrer Kolumne Zockerzecke.
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