piwik no script img

Prophetische Sprache

 ■  Edmond Jabes: Vom Buch zum Buch

„Vom Buch zum Buch“, von der Schrift zur Schrift, vom Lesen zum Schreiben zum Lesen zum Schreiben. Es läßt sich nichts schreiben über diesen unablässigen Gang durch die Wüste, so still ist dieses Buch. Ein Klassiker, aber ohne Musik. Nicht einmal das Geräusch eines Bleistifts wäre zu hören. „Vom Buch der Fragen“ zum „Buch der Ähnlichkeiten“, von der „Rückkehr zum Buch“ bis zum „letzten Buch“, der Tenor der großen Loslösung, die vom Ufer abstößt, weit hinaus treibt ins Meer und zurückfunkt aus der Eiswüste der Einsamkeit.

„Was er braucht, war eine Landschaft für seine Einsamkeit“. „Man weiß, man wird weit weg zu gehen und sich abzumühen haben“. Welch prophetische Sprache! „Und all diese Wege haben ihre eigenen Wege. Andernfalls wären sie keine Weg“ ... „denn niemals können wir wissen, was wir zu erfahren suchen ...“ Was für ein unstillbares Fernweh, das immer weiter hinauszieht, bis es im Flimmern der Salzwüste in dem einen winzigen Sandkorn den Punkt als Kostbarkeit findet, der dem langen Atem das Innehalten verhönnt. In der Reihenfolge ihres Auftretens die zehn Bücher von Edmond Jabes lesend, die alle nur das eine Buch der Wüste deutend lesen und nachschreiben, ist eine nächt-liche Reise auf den Grund des eigenen Seins, aus dem man beim Morgengrauen auftaucht wie ein Genesender, unendlich dankbar für den ersten Windhauch. Man kann über Jabes nicht schreiben, man kann ihn nur lesen und zitieren in der wunderbaren deutschen Übersetzung von Felix Philipp Ingold: „Ich werde Jude gewesen sein, weil ich einzig mir selbst zu antworten wußte, mir, der ich fremder war als jeder andere, jedoch dem Ärmsten nah im vergeblichen Wort.“ „Ich schreibe meine Bleibe ins Begehren ein.“

Adelheid Paris

Edmond Jabes: Vom Buch zum Buch. Aus dem Französischen von Felix Philipp Ingold, Carl Hanser Verlag, 238 Seiten, 45 DM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen