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Projekte für Integration gekapptHamburg spart an geflüchteten Kindern

Drei Millionen Euro sollen in Hamburg bei Angeboten für junge Menschen in Geflüchtetenunterkünften wegfallen. Nun gibt es eine Anhörung im Rathaus.

Wird viel ruhiger sein, wenn das Integrationsprojekt nicht mehr stattfinden kann: Abenteuerspielplatz Eimsbüttel-Nord in Hamburg Foto: Abenteuerspielplatz Eimsbüttel-Nord

Einmal in der Woche gehen zwei Mitarbeiter des Hamburger Abenteuerspielplatzes Eimsbüttel-Nord rund 900 Meter zur Geflüchtetenunterkunft an der Großen Bahnhofstraße, um dort Kinder abzuholen. „Da wohnen viele Familien und es ist relativ eng“, sagt Erzieher Simon Ferreira de Queiroz. „Es ist gut, wenn die Kinder mal rauskommen.“

Die Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren verbringen einige Zeit auf dem Gelände. „Wir kochen zusammen oder basteln, sie können laut sein oder auch mal die Musik laut drehen und tanzen“, sagt Ferreira de Queiroz. Anschließend bringen sie die Kinder wieder zurück über die vierspurige Straße nach Hause.

Das „Brückenprojekt“ laufe seit zwei Jahren, es finde viel Beziehungsarbeit statt, so der Erzieher. „Die Kinder konnten hier mal zur Ruhe kommen“, sagt er. Das habe viel zu ihrer Entwicklung beigetragen.

15.000 Kinder und Jugendliche in Unterkünften

„Wenn das plötzlich wegfällt, wird es für viele ein herber Schlag“, so de Queiroz zur taz. Genau das droht jedoch. In Hamburg leben über 15.000 Kinder und Jugendliche unter belastenden Umständen in Unterkünften.

Deshalb werden seit einigen Jahren solche Projekte als „Sozialräumliche Integrationsnetzwerke“ (SIN) gefördert, die diesen jungen Menschen gezielt Angebote machen. Da diese SIN-Mittel im neuen Jahr gekürzt werden, haben die bezirklichen Jugendämter in Altona, Eimsbüttel und Bergedorf in diesem Herbst warnende Schreiben an die Träger geschickt.

Es stehe für 2026 „nicht besonders gut“, hieß es aus Altona. In Bergedorf wurden Gespräche über die Fortsetzung der Förderung abgesagt. Man schätze die SIN-Angebotslandschaft sehr, hieß es dort.

„Sie alle leisten einen großen Beitrag dazu, dass wir zumindest in Bergedorf den herausfordernden Zeiten ohne größere Konflikte und Verwerfungen begegnen können.“ Gleichwohl sei man aufgrund der ungesicherten Kostenübernahme nicht in der Lage, die Gespräche zu führen.

Am Mittwoch wird das Thema im Jugendhilfeausschuss in Eimsbüttel besprochen. Wurden dort dieses Jahr noch 1,08 Millionen Euro für diese Angebote gezahlt, sollen es für 2026 rund 500.000 Euro weniger sein. So steht es in der Einladung zur Sitzung.

Die soziale Infrastruktur wird hier zusätzlich und nachhaltig zerstört

Vera Koritensky, Verband für Kinder- und Jugendarbeit

Dem Bezirksamt stünden „weder Kompensationsmöglichkeiten noch Reste zur Verfügung“. Deshalb könnten „verschiedenste freizeitpädagogische Angebote für junge Menschen“ nicht mehr fortgesetzt werden. Lediglich sechs größere Projekte werde es weiterhin geben.

Das rund 18.000 Euro teure Hol- und Bringeprojekt am Abenteuerspielplatz Eimsbüttel-Nord ist nicht dabei. „Wir hoffen, dass es noch eine Lösung gibt“, sagt Ferreira de Queiroz. „Das geht gar nicht“, ergänzt sein Kollege Wolfgang Heimann. „Die Kinder kommen sonst einfach nicht raus.“

Es sei wichtig, dass sie mal Kontakt mit anderen Kindern haben und auf diese Weise etwas anderes mitbekämen, als nur ihre Wohneinrichtung und Schule. Zudem habe Rot-Grün im Koalitionsvertrag versprochen, dass alle bestehenden Projekte der Kinder- und Jugendarbeit erhalten bleiben.

Unterm Strich weniger Geld

Die zuständige Bildungsbehörde räumt ein, dass es unterm Strich weniger Geld gibt. Regulär stünden im Haushalt sechs Millionen Euro für die SIN-Förderung bereit, sagt deren Sprecher Peter Albrecht. Im Jahr 2025 habe der tatsächliche Bedarf der Bezirke bei zwölf Millionen Euro gelegen, die auch vollständig bereitgestellt werden können.

Im kommenden Jahr würden etwa drei Millionen Euro mehr bereitgestellt. „Insgesamt stehen den Bezirken somit rund neun Millionen Euro zur Umsetzung der SIN-Förderichtlinie zur Verfügung“, sagt Albrecht. Sprich: Es sind drei Millionen Euro weniger als 2025.

Aus Sicht des Verbandes für Kinder- und Jugendarbeit Hamburg (VKJHH), der den Großteil der Einrichtungen vertritt, ist dies eine inakzeptable Kürzung, da der Bereich ohnehin seit vielen Jahren unterfinanziert ist.

Obwohl die Zahl der jungen Menschen in Hamburg seit 2015 um 20 Prozent auf knapp eine halbe Million gestiegen ist und viele Quartiere verdichtet wurden, schrumpfte die Zahl der Einrichtungen, berichtet Geschäftsführerin Vera Koritensky.

„Die soziale Infrastruktur wird hier zusätzlich und nachhaltig zerstört“, sagt sie. Mit den SIN-Mitteln habe man notdürftig versucht, den gestiegenen Bedarf zu decken.

Expertenanhörung zur Lage der Jugendhilfe

Das Budget von rund 35 Millionen Euro für die Offene Kinder- und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sei ohnehin viel zu knapp, da Tarif- und Sachkostensteigerungen nicht abgedeckt werden. Hier droht zusätzlich ein Engpass, weil sich abzeichnet, dass die Bezirke diese Lücken nicht mehr wie früher mit Restmitteln stopfen können.

„Drei Millionen Euro weniger für diesen wichtigen Bereich, das geht gar nicht“, sagt die CDU-Jugendpolitikerin Silke Seif. Auf Druck der CDU findet am 12. Dezember im Familienausschuss der Bürgerschaft eine Expertenanhörung zur Lage der Jugendhilfe statt.

Auch sie habe seit Monaten Hiobsbotschaften aus den Bezirken bekommen, sagt die Abgeordnete. Deren Tenor: Die Rahmenzuweisungen für 2026 und die SIN-Mittel würden nicht ausreichen.

„Nun ist klar, ab Januar 2026 werden viele Angebote für die Kinder und Jugendlichen in unserer Stadt eingestellt, weil die Mittel fehlen“, sagt Seif. „Dies geht zu Lasten unserer Kinder und Jugendlichen und ihrer Zukunft.“

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