piwik no script img

Projekt zum ProstitutionsausstiegBremen hilft beim Ausstieg aus der Sexarbeit

Seit drei Jahren gibt es in Bremen und Bremerhaven ein Modellprojekt. Ein Ergebnis ist ein Leitfaden für den Wechsel in ein anderes Leben.

Sexarbeit wird in Bremen unter anderem in der Helenenstraße im Steintor-Viertel verrichtet Foto: Robert Fishman/Imago

Bremen taz | Wie gelingt Sex­ar­bei­te­r:in­nen der freiwillige Wechsel in einen anderen Beruf? Auf diese Frage liegt jetzt aus dem Land Bremen eine Antwort vor. Im Rahmen eines von der Bundesregierung geförderten Modellprojekts haben 13 ehemalige Sexarbeiterinnen eine Beschäftigung außerhalb der Prostitution aufgenommen: In den Bereichen Labor, Pflege, Erziehung, Logistik, Einzelhandel. Zwei haben eine Ausbildung – als medizinische Fach­angestellte und als Fitnesskauffrau – begonnen. Sieben weitere haben an Sprach- beziehungsweise Integrationskursen teilgenommen. Das geht aus dem Projekt-Abschlussbericht hervor, der diese Woche in Bremen parlamentarischen Gremien vorgestellt wurde.

Die Voraussetzung für einen erfolgreichen Spurwechsel sei eine sehr enge Begleitung und Beratung durch eine Vertrauens­person, sagt Laura Witt. Sie arbeitet in der Stadt Bremen bei der öffentlich geförderten Beratungsstelle „Frauen Arbeits Welten“, die Frauen zu verschiedenen beruflichen Themen berät. Ende 2022 kam das Modellprojekt zum Prostitutionsausstieg dazu – das zu diesem Zeitpunkt schon die Hälfte der dreijährigen Projektlaufzeit hinter sich hatte. Die Frauen kamen zu Laura Witt nach Vermittlung durch den Verein Nitribitt, der schon seit 35 Jahren Sex­ar­bei­te­r:in­nen berät und in der Stadt Bremen die niedrigschwellige Beratung im Modellprojekt übernommen hat. Hier ging es weniger um den konkreten Berufswechsel, sondern um die alltägliche Unterstützung.

Die Hürden für Sex­arbeiter:innen, die sich beruflich umorientieren wollen, seien sehr hoch, sagt Witt, die in anderthalb Jahren 23 Personen innerhalb des Projekts beraten hat. Neben fehlenden Qualifikationen seien dies gesundheitliche Beeinträchtigungen, aber vor allem auch Stigmatisierungs- und Diskriminierungserfahrungen, „Da geht es erst einmal viel um Stabilisierung.“

Pauschale zur Existenzsicherung

Was zur Stabilisierung beiträgt, lässt sich in einem Praxisleitfaden nachlesen, den das Berliner Institut Interval im Auftrag der Bundesregierung geschrieben hat. Er gründet auf die wissenschaftliche Begleitung der Modellprojekte: Bremen war einer von fünf Standorten, wobei hier jeweils zwei Beratungsstellen in Bremerhaven und der Stadt Bremen einbezogen waren.

Neben Freizeitangeboten und Wissensvermittlung listet Interval auch die Existenzsicherung als Voraussetzung dafür auf, sich ein Leben außerhalb der Prostitution aufzubauen. Doch vor allem diejenigen, die aus einem anderen EU-Land kommen, haben in der Regel keine Ansprüche auf Sozialleistungen. Bremen hat daher aus eigenen Mitteln 14 Projekt-Teilnehmer:innen eine Existenzsicherungspauschale in Höhe des Bürgergeldes für bis zu zwölf Monate gezahlt.

Diese gibt es seit Ende Juli, dem Ende der Projektlaufzeit, nicht mehr. Die Beratung könne Bremen voraussichtlich bis Ende 2025 weiter finanzieren, teilte am Mittwoch Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) mit. Auf Nachfrage bestätigte ihre Sprecherin, dass dies für Nitribitt und die beiden Bremerhavener Beratungsstellen gilt, bisher aber nicht für Frauen Arbeits Welten.

Viele verlieren die Wohnung

Die Bremerhavener Beraterin Monica Kotte sagte, es brauche dringend Übernachtungsmöglichkeiten für die Frauen. Denn viele verlieren die Wohnung, wenn sie keine Sexarbeit mehr machen wollen, weil sie dort leben, wo sie arbeiten. In einem Fall sei ein Beschäftigungsverhältnis nicht zustande gekommen, weil die Frau keinen festen Wohnsitz hatte, obwohl sie seit 20 Jahren in Deutschland lebt.

In der Stadt Bremen hatten, anders als in Bremerhaven, einige Frauen keinen Migrationshintergrund. Etwa die Hälfte habe Kinder – und manchmal keinen Kita-Platz, so Beraterin Laura Witt. Erreicht wurden im Land Bremen 48 Sex­ar­bei­te­r:in­nen mit dem Angebot – mehr als angestrebt.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!