Projekt von Jugendlichen für Jugendliche: CDU und SPD sägen am Turm für die Jugend
In Moabit haben sich junge Leute mit dem „Tower21“ selbst einen Treffpunkt gestaltet. Doch für solche Angebote soll es künftig kein Geld mehr geben.

Der „Tower21“ ist ein von Jugendlichen gestalteter Treffpunkt. Das kreisrunde, auf einer Erhöhung stehende Gebäude mit rund vier Metern Höhe ist zu einer Seite hin geöffnet. Der untere Bereich ist von einem kleinen Garten umgeben und sieht aus wie ein Wohnzimmer, darüber ist eine Dachterrasse.
Der kleine Raum, der hier geschaffen wurde, bietet viele Möglichkeiten: Jugendliche können entspannen, kreativ werden, gärtnern, ihren Frust am Boxsack auslassen, die Bühne bespielen oder sich auf der Dachterrasse sonnen. Von der kleinen Bühne moderiert Mohamad Al-Khalayli die Einweihung dieser neuen Begegnungsstätte, die der Jugendliche gemeinsam mit anderen jungen Menschen aus dem Kiez sowie Freiwilligen, Tischler*innen und Architekt*innen geplant und gebaut hat.
Der Beifall nach jedem Redebeitrag ist riesig. Die Erleichterung, trotz der prekären Haushaltslage und der Kürzungspolitik des schwarz-roten Senats dieses öffentliche und kostenlose Angebot für Jugendliche realisiert zu haben, hebt die Stimmung. Doch offene Fragen, wie es weitergeht, dämpfen sie wieder.
„Wir hoffen, dass der Tower noch eine Weile steht“
Denn die Stiftung für kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung (SKWG), der Geldgeber dieses Projektes, hat keine Mittel mehr, um die Instandhaltung und Sanierung, die Gärtnerarbeiten und das Bau- und Spielmaterial zu finanzieren. Das wissen auch die Jugendlichen. „Wir sind alle sehr stolz und hoffen, dass der Tower noch eine Weile steht und es hier so schön bleibt, wie es jetzt ist“, sagt Mohamad Al-Khalayli.
Das Projekt, das in den vergangenen zwei Jahren von Jugendlichen für Jugendliche entstanden ist, sei eine Seltenheit, sagt Jannick Holz vom gemeinnützigen Verein Karame e. V. „Im Stadtbild gibt es viele Orte für Kinder und Erwachsene, aber zu wenige für Jugendliche.“
Am Anfang habe der Wunsch „nach ein bisschen Natur und ein paar Blumen“ gestanden, sagt Mohamad Al-Khalayli. „Und nach ein paar Sitzplätzen für den Sommer, um Karten zu spielen und zu chillen.“ An solchen Angeboten mangele es, kritisiert er, Parks würden überwiegend für Partys und Konsum genutzt.
Die Idee, einen Raum zu schaffen, den die Jugendlichen für sich haben, entstand 2023. Da schlossen sich das Kollektiv Noibau, das aus Tischler*innen und Architekt*innen besteht, gemeinsam mit Moabiter Jugendlichen zusammen. Sie suchten nach Ideen, wie sie den Kiez verbessern könnten.
„So etwas wie Aufbruchstimmung“
Was mit handwerklichen Workshops begann, nahm bald mit Skizzen und Plänen Form an. Unter den Jugendlichen und im Kollektiv Noibau habe „so etwas wie Aufbruchstimmung“ geherrscht, erinnert sich Noibau-Mitglied Jakob Husemann. Das Werkeln und Arbeiten an etwas Realem habe allen Beteiligten viel Freude bereitet.
Einige haben vorher noch nie handwerklich gearbeitet. „Ich hätte nicht gedacht, dass man so viel machen kann“, sagt Ahmad, einer der Jugendlichen, die mitgebaut haben. Auch Isaa hat beim Bau des Towers geholfen. „Wenn man eine Hütte baut, braucht man natürlich Hilfe, man kann sich gegenseitig Ideen geben und alles gemeinsam organisieren“, sagt er.
Das Projekt war zunächst Teil einer Architektur-Masterarbeit an der Technischen Universität Berlin. Karame e. V. war von Idee begeistert, 2024 schlossen sich dann Noibau, Karame und die Künstlerin Silke Riechert zusammen und gründeten die „Younion21“, ein Zusammenschluss aller Akteure rund um den Tower.
Mit der fertigen Idee wandten sie sich schließlich an den Moabiter Abgeordneten Taylan Kurt (Grüne), dem späteren Schirmherren des Projektes, sowie an den Bezirksstadtrat Benjamin Fritz (CDU). Beide halfen bei den Anträgen, Genehmigungen und der Kommunikation zwischen Grünflächenämtern und anderen Behörden.
Die Zukunft des „Tower21“ ist ungewiss
Auch wenn sich beide Politiker freuen, der Jugend in Moabit etwas bieten zu können, ist die Zukunft des „Tower21“ ungewiss. Der wurde mit Geldern des Senats finanziert, genauer finanzierte dieser die Stiftung für kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung (SKWK). Die hat seit 2021 bereits über 100 solcher Projekte in Berlin gefördert. Auch die etwa 60.000 Euro für den Tower wurden so über den Projektfonds „Urbane Praxis“ bereitgestellt. Der Fonds schüttete bislang jährlich rund eine Million Euro aus – und finanzierte so rund 30 öffentlich zugängliche Projekte.
Für dieses Jahr hat der Senat den Projektfonds ausgesetzt. Ob der Fonds und somit die Projekte, die an ihm hängen, im kommenden Haushalt weiter finanziert werden, ist noch unklar. „Die Urbane Praxis steht unter Finanzierungsvorbehalt“, sagt Larissa Krause von der Stiftung SKWK. „Dabei sind eine Million Euro nichts im Vergleich zu dem, was die Projekte der Stadt bringen.“ Schließlich würden öffentliche Jugendangebote eine Struktur schaffen und für eine Bewirtschaftung und Pflege der Flächen sorgen. Auch für den Grünen-Politiker Taylan Kurt ist es ein Unding, „dass Lücken im Haushalt auf dem Rücken der Jugendlichen gestopft werden“.
Nicht nur für die Jugendlichen seien Projekte wie dieses ein Gewinn, sagt Krauses Kollege, der Stadtplaner Yann Kersaint, auch werde die immer enger werdende Metropole Berlin dadurch aufgewertet. „Wohnungen werden teurer und kleiner, die Leute müssen mehr rausgehen. Wenn draußen aber nichts ist, wird es langweilig“, sagt er. „Hier ist schon eine Menge falsch gelaufen, aber Berlin hat jetzt noch die Chance, öffentliche Räume zu gestalten und den Kids ein Angebot zu machen.“
Was danach passiert, wissen sie nicht
Krause und Kersaint müssen nun auch um ihre Jobs bangen. Für dieses Jahr werden ihre Stellen noch finanziert, was danach passiert, wissen sie nicht. Erst Ende des Jahres wird der Senat voraussichtlich den Haushalt für die kommenden zwei Jahre vorstellen.
Der Grünen-Abgeordnete Taylan Kurt will sich bei den Haushaltsverhandlungen für Projekte wie den Tower einsetzen. Ein Argument ist für ihn dabei das Berliner Jugendfördergesetz, das die Jugendsozialarbeit stärken soll. Dafür braucht es allerdings auch genügend Angebote und vor allem muss ihre Finanzierung sichergestellt werden. „Die Umsatzfinanzierung ist mit dem aktuellen Haushalt aber nicht machbar“, sagt Kurt. Die Kürzungen stellen für ihn also eine Verletzung des Jugendfördergesetzes dar.
Wie auch immer die Haushaltsverhandlungen ausgehen – die Bedürfnisse der Jugendlichen bleiben. Und auch der Unionpark ist nun nicht mehr leer – im Gegensatz zum Etat für urbane Projekte.
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